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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache
Autoren: Luise F. Pusch
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dementsprechend auch im Verhältnis zu Menschen seiner eigenen Gesellschaft so ähnlich und so verschieden wie die gesellschaftliche Lage, wie die Stellung im AfewscÄewgeflecht, in der er auf- und in die er hineinwächst, ähnlich und verschieden von anderen, wie seine und seiner Eltern und seiner wichtigsten Modelleure Funktion. Die Langsicht des Buchdruckers oder des Maschinenschlossers ist eine andere als die des Buchhalters, die des Ingenieurs eine andere als die des Verkaufsdirektors, die des Finanzministers verschieden von der des Chefs der Heeresleitung... ( Elias 1969: 380).

    (4) Interessanterweise scheint sich eine stillschweigende Übereinkunft in der populären Auffassung von Lebensgeschichten entwickelt zu haben, in denen ein fragwürdiges Individuum seinen Anspruch auf Normalität beweist, indem es seinen Besitz von Frau und Kindern anführt, und sonderbarerweise auch, indem es glaubhaft macht, daß es Weihnachten und Thanksgiving mit ihnen verbringt (Goffman 1967 (1963): 16).

    (5) Institutionen... nehmen sich nicht nur das Recht, einen Frevler zu züchtigen, sondern auch, ihn moralisch zu maßregeln. Selbstverständlich gibt es von Institution zu Institution Gradunterschiede der moralischen Erhabenheit. Diese Unterschiede kommen gewöhnlich im Strafmaß, das dem Frevler auferlegt wird, zum Ausdruck. Der Staat als Institution kann ihn unter Umständen vernichten. Die Mitbewohner seiner Wohnsiedlung dagegen schneiden vielleicht nur seine Frau bei geselligen Veranstaltungen (Berger und Berger 1976: 52). (Hervorhebungen von mir.)

    Solche Texte lesen sich für uns Frauen wie Krimis, spannend bis zur »Auflösung« des Falls. Doch, wir sind trotz der ständigen Maskulina und der fehlenden Feminina mitgemeint, so dürfen/müssen wir die ganze Zeit wähnen, denn auch wir haben ja Haushaltsgeld, Wohnung, Ferien, politische Einstellung, Religionszugehörigkeit, Umgebung, Mikrowelt, Kindheit, Verstand, Denken, Stellung im Menschengeflecht, Lebensgeschichten etc. etc. Aber all diese Identifikationsmöglichkeiten waren nur raffinierte Fallen, um die Schlußpointe »Frauen sind out« um so dramatischer auf uns wirken zu lassen.
    Dieser Befund ist für Frauen in mehrfacher Hinsicht empörend, entmutigend oder belustigend — je nach Temperament, Ichstärke und Stimmungslage.
    a) Wenn selbst eindeutig geschlechtsneutrale Ausdrücke wie du (Zehn Gebote), Mensch (Text 1 und 3) und Individuum (Text 4) ohne weiteres auf Männer allein referieren können, kann frau mit ziemlicher Sicherheit schließen, daß Ausdrücke wie der Leser, der Erneuerer, der Erwachsene (Text 2), der Einzelne (Text 3) und der Frevler (Text 5), die schon von ihrer Semantik her die Lesart »Männer allein« zulassen, erst recht auf Männer allein referieren werden (und in den Texten tun sie das ja auch). Die Semantik der letztgenannten Ausdrücke läßt die Lesart »Männer allein« deshalb zu, weil es die femininen Pendants die Leserin/Erneuerin/Erwachsene/Einzelne/Frevlerin gibt.
    b) Belustigend und vielleicht sogar schmeichelhaft könnte frau es finden, daß auch nicht an sie gedacht wird, wenn von »fragwürdigen Individuen« (Text 4) und von »Frevlern« (Text 5) die Rede ist. Da aber auch frau hin und wieder frevelt und sich fragwürdig verhält und dann auch die Folgen zu tragen hat, da ihr dies Ausgeschlossensein in der Praxis also keineswegs nützt, wird sie auch derartige Fälle als Symptome des generellen »geistigen Gynocids« 6 deuten müssen.
    c) Bei den Produzenten der obigen Texte handelt es sich durchweg um Autoren mit eindeutig emanzipatorischen Absichten und Überzeugungen, die ganz entschieden Stellung gegen Diskriminierung von Schwarzen, Behinderten und anderen sozial benachteiligten Gruppen beziehen. Aber den besagten Gynocid begehen sie alle.
    2. Weiter ist zu dem Argument, Frauen seien doch selbstverständlich immer mitgemeint, zu sagen: Ein Akt des Meinens ist, sofern er auf Personen zielt, ganz offenbar dann mißlungen, wenn diese Personen sich trotz aller guten Absichten der/des Meinenden nicht gemeint fühlen und dafür handfeste Gründe (Ambiguität, Kontext, Erfahrungswerte) angeben können. Sollen solche Meinens-Akte in Zukunft besser gelingen, müssen andere (also nicht ambige) Formulierungen gewählt werden etwa in der Art, wie Trömel-Plötz sie für das Deutsche vorschlägt und wie sie für das Englische schon seit 1972 in den von Trömel-Plötz angeführten Guidelines großer amerikanischer Verlage und
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