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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache
Autoren: Luise F. Pusch
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Mädchen sprachlich ausschalten kann, kann frau sich leicht ausrechnen, was die männliche Hälfte der Bevölkerung gegen die weibliche ausrichten kann. Ein Wunder, daß wir überhaupt noch hin und wieder einem Femininum begegnen. (Für Besserwisser: Ich beziehe mich selbstverständlich auf feminine Personenbezeichnungen und nicht auf Feminina wie die Neutronenbombe.)
    Unerbittliche Empfindlinge sind die schlimmsten Tyrannen, besonders gegen Rücksichtsvolle. Feministinnen haben das klar erkannt, die Rücksichtnahme aufgekündigt und eine Großaktion »Rettet das Femininum« gestartet. Wie läßt es sich am besten retten, wiederbeleben und weithin verbreiten? Natürlich durch eine gezielte Allergie gegen das Maskulinum.
    Die Rettungsaktion hat seit Mitte der siebziger Jahre schon erstaunliche Erfolge gezeitigt. Immer mehr Frauen schlossen sich ihr an und lehnten es kategorisch ab, sich selbst und andere Frauen mit einem Maskulinum zu bezeichnen oder bezeichnen zu lassen. Die geistig und emotional weniger motivierte und agile Umwelt reagierte auf ihre unerhörten Thesen und eigenwilligen Neuerungen mit Überraschung, Belustigung, Spott, Befremden, Abwehr oder Ignorierung — je nach Temperament.
    Ich reagierte mit einer Mischung aus Sympathie und Befremden — letzteres hauptsächlich berufsbedingt.
    Meine — wie ich jetzt finde, reichlich späte — Bekehrung von der Sympathisantin zur Aktiven gelang schließlich einem Kollegen namens Kalverkämper. Eigentlich hatte er den irregeleiteten Frauen den rechten Weg weisen wollen. Aber nicht jedermann ist zum Wegweiser berufen, zumal in Zeiten, da jedefrau sich ihren Weg lieber selbst sucht. Mich jedenfalls führten seine Belehrungen stracks in die entgegengesetzte Richtung. Ich schrieb eine Antwort auf seine Mahnschrift, und im Zuge dieser ersten intensiven gedanklichen Auseinandersetzung mit den feministisch-linguistischen Standpunkten erkannte ich, wie brisant und intellektuell faszinierend das neue Gebiet ist.
    Das ist jetzt, im September 1983, vier Jahre her. In diesen vier Jahren habe ich mit meiner feministisch-linguistischen Forschung meinen Fachkollegen zwar anscheinend nicht viel Freude und meiner Disziplin keine Ehre gemacht, aber ich habe mich mit meiner Arbeit wohler gefühlt und besser identifizieren können als je zuvor. Außerdem freut es mich natürlich, daß meine Artikel neuerdings von mehr als fünf Personen gelesen werden.

    »Je wichtiger ein Gegenstand ist, um so lustiger muß man ihn behandeln«, sagt Heine. Er muß es ja wissen als Außenseiter von Geburt.

Aufsätze

Von Menschen und Frauen

    Wer ja sagt zur Familie, muß auch ja sagen zur Frau.
    Helmut Kohl, 1983

1 Meditation über ein Kanzlerwort

    »Wer A sagt, muß auch B sagen«, so lautet ein deutsches Sprichwort. Mir wurde es zum erstenmal entgegengehalten, als ich lieber spielen wollte als auf meine kleine Schwester aufpassen. Hatte ich mir nicht ein Schwesterchen gewünscht? Nun, dann hatte ich gefälligst auch die Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen.
    Unser Kanzler hat den deutschen Sprachschatz um eine bedeutsame Variation dieses Sprichwortes bereichert. Aus dem dürren »Wer A sagt...« machte er ein strahlendes »Wer ja sagt...« — aber das harte Wort muß blieb!
    Niemand wird freilich gezwungen, A zu sagen bzw. ja zur Familie. Erst wenn - freiwillig! - ja zur Familie gesagt wurde, muß auch in den sauren Apfel B gebissen, das Ja zur Frau gesagt werden.
    Mir als Frau will es allerdings nicht in den Kopf, daß das Ja zur Frau vom Ja zur Familie abhängig ist wie das B-Sagen vom A-Sagen. Sagen wir — als Menschen — nicht geradezu zwangsläufig ja zum Menschen, egal ob wir zur Familie ja oder nein sagen? Wieso braucht es überhaupt neben dem unbedingten Ja zum Menschen noch ein bedingtes Ja zur Frau?
    Ich muß den Kanzler mißverstanden haben. Vielleicht meint er mit Frau nicht die Frau im allgemeinen, sondern die Ehefrau.
    Also nochmal: »Wer ja sagt zu seiner Familie, muß auch ja sagen zu seiner Frau .« — Ich hänge an meinen Eltern und Geschwistern. Doch, ich sage ja zu meiner Familie. Aber nicht zu meiner Ehefrau, denn ich habe keine.
    Das also kann der Kanzler auch nicht gemeint haben.
    Es bleibt nur ein Schluß: Der Kanzler hat nicht zum Volk gesprochen, sondern zu sich selbst. Er hat sich ermahnt, ja auch zu seiner Frau zu sagen, weil er ja zum Rest seiner Familie sagt.
    Das ist schön von ihm, aber hätte er sich nicht etwas präziser ausdrücken können? Etwa so:
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