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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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allein.«
    Andrej ließ sich nichts anmerken, lauschte aber mit seinen
scharfen Sinnen und fragte sich im nächsten Augenblick verblüfft, wieso es eigentlich erst Abu Duns Worte bedurft hatte,
um ihn darauf aufmerksam zu machen: Sowohl in dem Gebäude
zu ihrer Rechten als auch in dem zu ihrer Linken hielten sich
Männer auf, zwei in jedem. Er konnte ihre Atemzüge hören, und
nachdem er einen Moment aufmerksam gelauscht hatte, auch
das rasche, erregte Schlagen ihrer Herzen. Und er konnte ihre
Angst wittern. Dabei war vier zu zwei eigentlich kein schlechtes
Verhältnis, dachte er. Sie konnten ja nicht ahnen, wie unsinnig
es war, Männern wie ihnen in einem Hinterhalt auflauern zu
wollen.
    Auf der anderen Seite sah Abu Dun wirklich nicht wie ein
gewöhnlicher Mann aus, und wenn sie sie dabei beobachtet
hatten, wie sie die spiegelglatte Felswand heruntergestiegen
waren … dann hatten sie tatsächlich einen guten Grund, sich zu
fürchten.
    Er signalisierte Abu Dun ein Nicken und schüttelte gleich
darauf erschrocken den Kopf, als er sah, wie die Hand des
Nubiers unter seinen Mantel gleiten wollte, wo er seinen
gewaltigen Krummsäbel trug. Abu Dun bedeutete ihm stumm
sein Einverständnis – sie waren nun schon seit so vielen Jahren
zusammen, dass sie keine Worte oder Gesten mehr brauchten,
um sich zu verständigen – und sie betraten das zerstörte Gebäude.
    Die Illusion, sich in einem seit vielen Jahren verlassenen Ort
zu befinden, erlosch, als er geduckt hinter Abu Dun durch die
Tür trat. Die Hütte war unerwartet groß, hatte aber trotzdem aus
einem einzigen Raum bestanden, dessen Dach von einem hölzernen Stützpfeiler so breit und hoch wie ein Schiffsmast getragen worden war. Jetzt war er auf Brusthöhe gesplittert und der
Stumpf war verkohlt. Die gegenüberliegende Wand fehlte, sodass Wind und Kälte sich beständig ihren Weg in die Hütte fressen konnten. Doch der Boden unter ihren Füßen war nicht mehr
so glatt wie draußen, und der alles überkrustende Panzer aus Eis
nicht ganz so dick und hier und da halb durchsichtig.
    Abu Dun machte eine stumme Kopfbewegung, und Andrej
wünschte sich fast, sein Blick wäre ihr nicht gefolgt, als er das
Kind sah.
    Es lag unweit der Tür auf dem Rücken, keine drei Monate alt
und vollständig nackt. Es war ein Mädchen, in einen Panzer aus
gesprungenem Eis gehüllt, und Andrej konnte keinerlei Verletzungen erkennen, zumindest nicht an der Seite des Körpers, die
ihm zugewandt war. Er vermutete, dass es erfroren war.
    Auch Abu Dun starrte das tote Baby einen Herzschlag lang
wortlos und mit steinernem Gesicht an, bevor er sich mit einem
Ruck herumdrehte, um den Rest des Raumes zu untersuchen.
Andrej fragte sich allerdings, was er eigentlich zu finden hoffte.
Was Feuer, Feuchtigkeit und Kälte nicht zerstört hatten, das war
ausnahmslos zertrümmert und in Stücke geschlagen, als hätte
hier drinnen ein Sturm aus bloßer Zerstörungswut und Raserei
getobt.
    Als er ein leises Knacken irgendwo hinter ihnen, außerhalb des
Gebäudes, hörte, reagierte Andrej äußerlich nicht im Geringsten
darauf, aber er lauschte aufmerksam und erkannte die verstohlenen Schritte zweier Männer, die sich lautlos anzuschleichen
versuchten. Zwei andere näherten sich von der anderen Seite.
    Abu Dun ließ sich mit einem mühsamen Schnaufen in die
Hocke sinken. Er begann mit den Fingern im Schnee zu graben.
»Wer immer das hier getan hat, war nicht auf Beute aus. Oder
ziemlich schlampig.«
    Andrej trat neugierig näher, aber er musste sich vorbeugen, um
zu sehen, worauf Abu Dun deutete: Er hatte eine Handvoll
Goldmünzen entdeckt, die halb im Eis eingebettet lagen. Vergeblich versuchte er, eine davon mit den Fingern loszubrechen,
schaffte es nicht und zog seinen Dolch unter dem Mantel hervor,
um es auf diese Weise noch einmal zu versuchen, als hinter
ihnen eine Stimme sagte: »Seid ihr gekommen, um den Rest der
Beute zu holen?«
    Abu Dun erstarrte mitten in der Bewegung, und Andrej richtete sich sehr langsam auf, wie ein Mann, der wusste, dass jede
unbedachte Regung auch zugleich seine letzte sein konnte.
    Hinter ihnen waren zwei Männer aufgetaucht; Krieger, wie auf
den ersten Blick zu erkennen war. Beide waren wahre Riesen,
selbst ohne die gewaltigen Hörnerhelme beinahe so groß wie
Abu Dun. Sie trugen schwere Kettenhemden über wollenen
Untergewändern und Hosen, die in pelzgefütterten Stiefeln
steckten, übergroße Rundschilde und gespannte
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