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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hilfe braucht.«
In den hellen, sonderbar klaren Augen seines Gegenübers
blitzte es abermals auf, und einen Moment lang glaubte Andrej,
dass er ihn erneut schlagen würde. Doch stattdessen wandte er
sich um und sah nachdenklich auf die festgefrorenen Münzen
hinab. »Wolltet ihr nicht viel eher nachsehen, ob es hier vielleicht noch etwas zu holen gibt?«, fragte er.
»Wir sind keine Plünderer«, sagte Andrej scharf.
Der Nordmann starrte die Münzen noch einen weiteren Atemzug lang an und sah dann auf das tote Kind hinab. Ein Schatten
glitt über sein Gesicht, das unter dem eisverkrusteten Bart
erstaunlich jugendlich wirkte.
»Was ist hier geschehen?«, fragte Andrej leise.
Der Blonde funkelte ihn nur hasserfüllt an, beantwortete seine
Frage aber nicht, sondern wandte sich nur mit einer befehlenden
Geste zur Tür. »Gehen wir.«
    Sie verließen das Dorf in südlicher Richtung, der blonde Hüne
und sein axtschwingender Kamerad vorneweg, die drei anderen
Krieger den Abschluss bildend, während Andrej und Abu Dun
mit auf den Rücken zusammengebundenen Händen und mutlos
hängenden Köpfen und Schultern in der Mitte der kleinen
Kolonne dahintrotteten. Die halbrunde Bucht, in der das Dorf
lag, war an drei Seiten von gut hundert Fuß hohen Steilklippen
umgeben, wie eine nur zum Meer hin offene, natürliche Festung,
die ihren Bewohnern ein Leben lang ein Gefühl trügerischer
Sicherheit vermittelt haben mochte, bevor sie – vielleicht im
allerletzten Moment – begriffen hatten, dass diese Festung eine
Todesfalle war. Einzig ein knapp zwei Meter breiter, senkrechter Riss im Fels bot einen Ausweg, als hätte ein zorniger Gott
dort das gesamte Gebirge mit einer riesigen Axt gespalten.
Andrejs kundiger Blick zeigte ihm sofort, dass die schmale
Klamm selbst von einem einzigen, entschlossenen Mann leicht
zu halten sein musste, sogar gegen eine gewaltige Übermacht.
Als sie näher kamen, gewahrte er zwar keine Leichen, wohl aber
die unübersehbaren Spuren eines Kampfes. Der Boden aufgewühlt, hier und da lagen Fetzen von Kleidung oder Rüstungsteile, ein paar zerbrochene Waffen, und überall war Blut –
allerdings nur auf dieser Seite der Klamm. Etliche Bewohner
des Dorfes hatten wohl noch die Zeit gefunden, vor den unbekannten Angreifern zu fliehen. Sie waren nicht weit gekommen.
    Bevor sie den Felsspalt betraten, blieb der Blonde noch einmal
stehen und sah zu ihnen zurück. »Versucht nichts Unbedachtes
dort drinnen«, warnte er. »Selbst wenn ihr uns entkommt – was
ihr nicht werdet –, warten unsere Brüder auf der anderen Seite.
Und wir haben ein Schiff auf dem Meer.«
    Andrej schwieg, aber das schien ihrem Führer als Antwort zu
genügen. Andrej aber verrieten seine Worte, dass er trotz seiner
noch jungen Jahre schon ein erfahrener Krieger war. Wenn sie
überhaupt einen Ausbruch hätten wagen wollen, dann dort
drinnen, wo die schmale Klamm ihre Bewacher daran hindern
würde, ihre Waffen zu benutzen oder sich gegenseitig zu
unterstützen.
Andrej hatte nichts dergleichen vor. Weder Abu Dun noch er
würden diese Fesseln tragen, wenn sie es nicht gewollt hätten.
    Der Felsspalt war weitaus länger, als er erwartet hatte, und auf
dem letzten Stück so schmal, dass sie nur noch hintereinander
gehen konnten. Trotzdem scharrten Abu Duns breite Schultern
an dem vereisten Stein. Andrej enthielt sich jeden Kommentars,
aber er begriff sehr wohl, dass sie gerade durch den Höhenzug
marschierten, den sie vorhin so mühsam überklettert hatten …
ein Weg, der ganz gewiss umständlicher war, aber nicht annähernd so mühevoll und gefährlich wie der, den sie genommen
hatten. Außerdem fanden sie so wenigstens für eine kurze Weile
Schutz vor dem grausamen Wind.
    Wie sich zeigte, hatte ihr Führer die Wahrheit gesagt: Auf der
anderen Seite der Klamm angekommen, erwartete sie nicht nur
ein kleines Lager aus einem halben Dutzend niedriger Zelte,
sondern auch eine Anzahl weiterer Krieger. Sie waren nicht alle
so hochgewachsen und muskulös wie die Männer, die glaubten,
sie gefangen genommen zu haben, aber keiner von ihnen war
klein, und sie waren nicht nur ausnahmslos gut bewaffnet,
sondern trugen diese Waffen auch wie die Art von Männern, die
damit umzugehen wussten.
    Abu Dun sprach aus, was Andrej dachte. »Sieht so aus, als
wären wir mitten in einen Krieg geraten«, sagte er auf Arabisch.
»Sprecht nicht so miteinander!«, fuhr ihn der Blonde an.
»Wenn ihr reden wollt, dann in
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