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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einer Sprache, die wir verstehen!«
»Verzeiht meinem Freund«, sagte Andrej hastig, bevor Abu
Dun antworten konnte. Vielleicht konnte es ihnen noch von Nutzen sein, wenn ihre Bewacher glaubten, Abu Dun verstünde sie
nicht. »Er spricht eure Sprache nicht.«
»Dann soll er schweigen!«, fauchte der blonde Hüne.
»Er hat sich nur gefragt, was all diese bewaffneten Männer
hier tun, und ob wir vielleicht mitten in einen Krieg geraten
sind, der uns nichts angeht«, sagte Andrej.
»Ein Krieg?« Der Nordmann schürzte verächtlich die Lippen.
»Ja, so könnte man es nennen. Und ob er euch etwas angeht,
wird sich zeigen. Und jetzt geht weiter!« Mit herrischer Geste
wies er einen der Männer an, Abu Dun einen derben Stoß in den
Rücken zu versetzen, und der Nubier stolperte ein paar Schritte
vorwärts, verlor auf dem glatt gefrorenen Boden den Halt und
fiel schwer auf die Knie. Andrej hielt erschrocken die Luft an,
aber Abu Dun sagte nichts, sondern stemmte sich nur grunzend
in die Höhe und wäre auf dem spiegelglatten Boden sofort
wieder gestürzt, hätte ihn nicht derselbe Mann, der ihn gerade
erst gestoßen hatte, jetzt gestützt. Er selbst wankte dabei nicht
einmal, und Andrej fiel erst jetzt auf, dass nicht nur er, sondern
auch die vier anderen sich mit geradezu übernatürlicher Sicherheit auf dem Eis bewegten.
Andrej dagegen atmete erleichtert auf, als sie das kleine Lager
erreichten und unter seinen Stiefeln endlich wieder nackter Fels
war, und kein Eis, dass der Wind seit hundert Jahren glatt
schmirgelte.
    »Setzt euch dorthin!« Der Blonde zeigte auf ein halb heruntergebranntes Feuer, das sich im Zentrum des unregelmäßigen
Kreises aus kleinen Zeiten befand. »Ich komme gleich zu euch.«
    Sie spielten die Rolle der hilflosen Gefangenen perfekt weiter,
indem sie gehorsam zum Feuer schlurften und sich so dicht an
den Flammen niederließen, wie es gerade noch ging, ohne dass
sie Gefahr liefen, ihre Kleidung in Brand zu setzen … was nur
zum Teil ihrer Tarnung diente. Liebend gern hätte Andrej (und
auch Abu Dun, dessen war er sich sicher) seine Fesseln zerrissen, um seine Hände an den Flammen wärmen zu können. Ja, er
hätte sie auch in die Flammen gehalten, wenn er so, um den
kleinen Preis eines flüchtigen Schmerzes, endlich wieder einmal
Wärme hätte spüren können. Er konnte sich kaum noch erinnern, wann er das letzte Mal nicht gefroren hatte.
    Der Blonde verschwand, aber zwei seiner Kameraden blieben
demonstrativ hinter ihnen stehen, und auch die anderen Krieger
kamen näher und blickten Andrej – und vor allem den riesigen
Nubier – unverhohlen neugierig an, aber auch genauso offen
feindselig. Andrej war es gewohnt, dass sein hünenhafter
Begleiter Aufsehen erregte, wohin auch immer sie kamen; in
den meisten Teilen der Welt allein durch seine Größe und seine
massige Gestalt. Hier, an diesem kalten, lebensfeindlichen
Fleckchen, an dem er schon vielen Männern mit stattlicher Körpergröße begegnet war, wohl eher aufgrund seiner nachtschwarzen Haut. Nur zu oft schlug ihnen Misstrauen, auch Feindseligkeit entgegen, doch meist aus Unwissenheit und Furcht. Hier
jedoch … war es anders. In den Blicken dieser Männer sah
Andrej blanken Hass. Mehr als eine Hand hatte sich ein wenig
zu fest um den Griff einer Waffe geschlossen, mehr als ein
Schwert war einen Finger breit aus der Scheide gezogen worden. Allmählich kamen ihm Zweifel, ob der Plan, sich gefangen
nehmen zu lassen, um so an Informationen zu gelangen, tatsächlich aufgehen würde. Keiner dieser Männer war Abu Dun oder
ihm gewachsen, nicht einmal mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen (von den Fesseln konnten sie sich ohnehin
im Handumdrehen befreien), aber sie waren viele, und sie waren
schwer bewaffnet. Und weder Abu Dun noch er waren unverwundbar oder tatsächlich unsterblich …
    »Ich kann mich des Gefühls einfach nicht erwehren, dass wir
nicht willkommen sind«, sagte Abu Dun plötzlich spöttisch und
auch jetzt wieder in seiner Muttersprache. Diesmal nahm niemand daran Anstoß.
    »Sie glauben, wir gehören zu denen, die das Dorf niedergebrannt haben«, antwortete Andrej in derselben Sprache. Er
seufzte. »Ich kann es ihnen nicht einmal wirklich übel nehmen.
Wenn das ihre Leute waren, oder Freunde, dann haben wir
wahrscheinlich Glück, dass wir überhaupt noch leben.«
    »Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn es noch eine Weile
so bliebe«, fügte Abu Dun hinzu. »Vielleicht
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