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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter
Autoren: Murat Topal
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Die konnte selbst bei einem Kunstgeschöpf wie ihm nicht fehl am Platz sein.
    »Herr von Feuchtleben. Ich freue mich wirklich, dass wir endlich wieder einmal zusammensitzen.«
    Zu meinem Schrecken sah ich, wie der so warmherzig Angesprochene gerührt zu einer Antwort ansetzte. Hatte ich durch ein unbedachtes Stichwort etwa erneut seinen Einstiegsmonolog aktiviert? Das musste um jeden Preis verhindert werden, der Topalmaro musste ran. Also entschied ich mich für die bewährte Strategie
Keine Atempause – Geschichte wird gemacht.
    »HerrvonFeuchtlebenichbinhierweilmeineFrauundichunswegenderKinderfürdenKaufeinesEigenheimsentschiedenhabenundichmitIhnenüberFinanzierungsmöglichkeitensprechenmöchte.«
    Leider ging mir an dieser Stelle der Atem aus, und die Zehntelsekunde des Luftholens reichte aus, um meinen Widersacher zurück ins Spiel zu bringen. »Leben die Großeltern eigentlich noch?«
    Himmel hilf!
    »Herr von Feuchtleben. Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«
    »Selbstverständlich. Ich dachte schon, Sie würden nie fragen.«
    Bitte? Hatte die Menschmaschine meinen Bandwurmsatz als Heiratsantrag fehlinterpretiert?
    »Herr Topal. Ich will mal so sagen: Im Grunde muss man mit einer jungen Familie so bald wie möglich versuchen, den Klauen der Miethaie zu entkommen.« Haie? Klauen? Dieses Sprachprogramm war entschieden unausgereift. Aber nicht zu bremsen. »Und obwohl diese Empfehlung im Grunde fürjede junge Familie gilt, so zählt sie für Familien junger Beamter natürlich doppelt. Als Beamter kann man gar nicht früh genug in Beton investieren.«
    An dieser Stelle wurde mir klar, was Banker und Mafiosi einte: Sie setzten beide auf Beton. Der einzige Unterschied war, dass die Geldinstitute das Vermögen ihrer Opfer betonierten, die Mafia dagegen die Füße. Während ich also zu tieferen Einsichten in die Zusammenhänge des Kapitalismus gelangte, redete der Bankster unbeirrt weiter.
    »Nun waren Sie ja in der Vergangenheit eher an konsumtiven Kleinkrediten als an nachhaltigen Investitionen interessiert. Darum freue ich mich wirklich, dass Sie nun doch eine Grundlage der Vermögensplanung verstanden haben: Nur Steine bringen Ihre Finanzen ins Reine.« Er strahlte wegen dieses lächerlichen Kinderreims. Kaum zu glauben. »Auch wenn es manch einer nicht wahrhaben will: Eine Hypothek ist für Ihre Zukunft keine Last, sondern eine Chance.« Er legte eine kurze Pause ein, um dann zum Kern der Dinge vorzustoßen. »An welchen Betrag hatten Sie denn gedacht?«
    Da ich dieses Gespräch zu Hause schon mehrfach durchgespielt hatte, brauchte ich nicht zu überlegen: »Dreihundert!«
    »Tausend?«
    »Nein, Trillionen.«
    Der Adelsspross lachte kurz und bitter auf. »Herr Topal, Sie machen Witze.«
    Noch ahnte er nicht, wie weit er sich mit diesem Statement an meine ihm noch unbekannte neue Profession herangetastet hatte.
    Ich ließ mich von seiner flapsigen Bemerkung nicht aus der Reserve locken und sah ihn an. Schweigend. Mit festem Blick. Aus meinen Erfahrungen mit verstockten Kleinkriminellen, die keine Aussage machen wollten, wusste ich, dassman sein Gegenüber damit nachhaltig verunsichert, und von Feuchtleben war da keine Ausnahme. Nervös entknäulte er seine Gliedmaßen und schraubte sich in volle Höhe.
    »Herr Topal, es ist Ihnen doch klar, dass Sie bei einem Hypothekendarlehen dieser Größenordnung Eigenkapital in Höhe von rund dreißig Prozent des Gesamtbetrages einbringen müssen? Haben Sie eine solche Summe denn wirklich zur Verfügung?«
    Das war nicht nur eine inquisitorische, sondern zweifellos rhetorische Frage. Aus unseren früheren Kleinkreditverhandlungen war er über meine finanziellen Rahmenbedingungen glasklar im Bilde. Diese Gewissheit und der Umstand, dass er nun endlich wieder von oben herab mit mir reden konnte, verliehen ihm neue Selbstsicherheit. Ich blieb trotzdem bei meiner Taktik des beharrlichen Schweigens. Wenn ich schon wie die Mafia in Beton investieren wollte, konnte ich genauso gut ihre Erfolgsstrategie der
omertà
übernehmen.
    Es funktionierte, schon wurde von Feuchtleben nervös. Er ging auf und ab und drehte sich dann wieder zu mir um. »Nun, Herr Topal. Wir sind uns ja sicher einig, dass ein Darlehen dieser Größenordnung angesichts der von Ihnen in der Vergangenheit vorgelegten Verdienstbescheinigungen streng betrachtet unmöglich ist. Es sei denn, Sie hätten inzwischen im Lotto gewonnen.«
    Er verzog seine schmalen Griesgramlippen zum Ansatz eines Lächelns, gab
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