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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels
Autoren: Matthias Horx
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»zivilisieren« (obwohl sie sich inzwischen zu einem einträglichen Tourismusgeschäft entwickelt haben). Aber wie immer sind die Dinge nicht ganz so einfach.
    Von Egon Friedell stammt der schöne Satz: »Zivilisation ist Reichtum an Problemen.« In dieser Hinsicht sind und waren die!Kung in der Tat arm. Sie haben kein Problem!
    Aber dies gilt nur so lange, wie das Korsett des Mangels jede Wahlmöglichkeit des Individuums radikal einschränkt. An die Ressourcenknappheit der Halbwüste hat sich die!Kung-Kultur evolutionär perfekt angepasst. Eine Hierarchie und die damit verbundenen Kosten für das Gemeinwesen aufgrund der Verschwendung einer kleinen Gruppe wären hier existenzbedrohend. Vertikale soziale Differenzierung würde den Rahmen der bescheidenen Subsistenzwirtschaft sprengen.
    Das Bild des durch und durch »friedlichen Wilden« mag durch viele Studien inzwischen revidiert sein. Doch meistens bleiben die!Kung fröhliche, freundliche, optimistische Menschen. Sie zeigen uns, wie anpassungsfähig der menschliche Geist ist. Warum sollte
man schlechte Laune haben, wenn die Tiere üppig Fleisch bieten, das Wasserloch noch etwas Wasser hat und die Geister gnädig bleiben?
    Die Dinge sind, wie sie sind!
    Die Tiere kommen und gehen.
    Die Geister sind mit uns – wenn wir tanzen!

Krankheit, Klimawandel, Hoffnung: Der Wandel beginnt
    Warum, so müssen wir weiter hartnäckig fragen, sind Menschen nicht einfach Jäger und Sammler geblieben? Wieso haben sie eine Lebensweise verlassen, die der Anthropologe Marshall Salins einmal als die »ursprüngliche Überflussgesellschaft« bezeichnete? Warum hat Homo sapiens all das, was danach kam, auf sich genommen – den langen Weg von den Savannen über die Reisfelder bis zu den mittelalterlichen Frondiensten? Um schließlich bei den Segnungen von McDonald’s, Rückenschmerzen, Übergewicht und Dieter Bohlen in 300 Fernsehprogrammen zu landen?
    Im Paradies waren die Menschen nackt und die Tiere ohne Furcht. Alles war im Überfluss vorhanden. Unser biblisches Bild des Paradieses repräsentiert nichts anderes als die archaische Vision einer Jäger- und Sammler-Gesellschaft in einer besonders üppigen, regen- und tierreichen Topographie.
    Doch was könnte in diesem Bild die reale Analogie für den »Sündenfall« sein, das Knabbern am verbotenen Apfel? Die Antwort lautet: Krankheit und Klimawandel.
    Vor rund 90 000 Jahren machten sich vom Norden des afrikanischen Kontinents aus die ersten Jäger und Sammler auf den Weg über die Grenzen des Kontinents hinaus. Sie durchquerten die nördlichen Wüstengebiete und drangen in Richtung arabische Halbinsel, Mesopotamien und das östliche Mittelmeer vor. 11 Dort trafen sie auf einen alten Verwandten: den Neandertaler. Sie begannen die Wanderung, weil es im nördlichen Teil von
Afrika vor 80 000 Jahren trockener wurde, der Regen und die Tiere ausblieben. Weil Krankheiten wie die Schlafkrankheit 12 den Tod brachten – so die These des Evolutionsbiologen Josef H. Reichholf. 13
    Vielleicht waren es einige junge Heißsporne. Vielleicht aber auch erfahrene ältere Männer. Oder eine Gruppe hellwacher Frauen, die sich nicht damit abfinden wollten, dass ihre gerade geborenen Kinder unwiderruflich den »Geistern der heißen Winde« anheimfallen sollten. Die es satthatten, gegen das um sich greifende Sterben nur zu tanzen und zu trommeln und Tiere zu opfern, wie es die Alten aus Tradition taten. Und stattdessen entschlossen die Bündel packten. Etwas Besseres als den Tod werden wir allemal finden!
    »Diejenigen steigen auf, die hinausgeworfen werden aus dem Identischen«, schrieb Henning Mankell im »Auge des Leoparden«. 14
    Und so ging alles weiter.

Die agrarische Transformation: Planung, Bewässerung, Überschüsse
    Noch vor 100 000 Jahren zählte die Menschheit kaum mehr als 100 000 Köpfe. Homo sapiens war eine nicht sehr erfolgreiche Spezies, eingeklemmt in einigen afrikanischen Ökotopen. Andere Menschenarten, wie der Homo erectus, der australopicteus, der ergaster oder Homo habilis hatten sich schon eine halbe Million Jahre über den ganzen Planeten ausgebreitet und erfolgreich in den unterschiedlichen Klimazonen behauptet.
    Auch in der ersten Zeit der »großen Wanderung«, der langsamen Ausbreitung des Homo sapiens über den Planeten, wuchs die Kopfzahl nur langsam. Nomaden hatten noch nie viele Kinder, denn die Notwendigkeiten der Mobilität beschränken die Fruchtbarkeit (in nomadischen Gesellschaften werden Kinder oft bis zum 4.
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