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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Autoren: Mike Wächter
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gesehen.«
    Früher war auch Beatrice eine gute Freundin gewesen, die regelmäßig Zeit mit Anne verbrachte, heute liefen sie sich selten im Ort über den Weg. Vor einigen Jahren, als sie beide kleine Kinder hatten, gab es mehr Berührungspunkte.
    Mercia verschwand durch den Hinterausgang zum Hof und kam wenige Augenblicke später mit den Holzlatten für Annes Zaun zurück. Schnaufend ließ sie diese vor Anne auf den Boden fallen.
    »Was ist das? Willst du ein Haus bauen? Hast du niemand dabei, der dir tragen hilft?«, fragte Beatrice.
    »Mach dir keine Sorgen um mich.«
    »Unsere Anne versteht schon lange niemand mehr«, sagte Mercia.
    Sie lehnte sich auf ein Fass mit Kräutern, verschränkte ihre Arme und blickte Anne keck an.
    »Warum suchst du dir nicht jemand, der solche Arbeiten für dich übernimmt? Das Geld hast du.«
    »Diese Arbeit macht mir Spaß. Warum soll ich jemand bezahlen für etwas, das ich selbst erledigen kann?«
    »Mädchen, Mädchen.«
    Mercia lächelte und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
    »An deiner Stelle hätte ich mir einen Liebhaber gesucht. Wie lange ist dein Mann jetzt fort, 25 Jahre?«
    Bei der Anspielung mit dem Geliebten lachte Beatrice kurz auf und hielt sich dann verlegen die Hand vor den Mund.
    Anne wollte darauf nicht eingehen. Diese Ideen waren typisch für Mercia. Sie gehörte zur Riege der alten Jungfern von Stratford. Allerdings bedeutete das in Mercias Fall nicht, dass sie wirklich unberührt war.
    Anne wunderte sich nicht, dass Mercia nie geheiratet hatte, obwohl sie den Männern nicht abgeneigt war. Als unverheiratete Frau konnte sie ihre eigenen Entscheidungen treffen und selbst Verträge unterzeichnen. Nach einer Hochzeit wäre der Ehemann der Vormund seiner Frau. Abgesehen von Annes besonderem Fall. Sie hatte sich ihre Freiheit als Geschäftsfrau durch einen Trick zurückerobert.
    Nun senkte Anne den Blick. Auf keinen Fall wollte sie Mercia die Wahrheit sagen. Dass sie vor vier Wochen einen Mann kennengelernt hatte. Doch war er eben so schnell aus Stratford und ihrem Leben verschwunden, wie er gekommen war. Auch einer Freundin musste sie nicht alles erzählen. Vor allem nicht, solange Beatrice im Raum war.
    »Ich zähle nicht mehr mit, wie lange es her ist, dass mein Mann aufgebrochen ist«, sagte Anne.
    Sie legte das Geld für die Holzlatten auf den Tisch.
    »Ach, Anne«, sagte Mercia. »Du bist ein stures Weib. Aber vielleicht habe ich dich deshalb so gern!«
    Beatrice seufzte und machte Anstalten, das Geschäft zu verlassen.
    »Es war schön, dich wiederzusehen, Anne.«
    »Du gehst schon? Bleib noch ein bisschen. Lass uns über die alten Zeiten reden. Oder weiter über die Frau des Ortsvorstehers tratschen«, sagte Mercia.
    »Das geht wirklich nicht. Mein Mann kommt bald nach Hause und ich muss das Essen kochen.«
    Als sie schon in der Tür stand, wand sie sich zu den beiden um.
    »Ihr wisst nicht, wie gut ihr es habt, ohne einen Mann zu Hause. Ich wäre liebend gern einmal in der Situation, etwas selbst entscheiden zu müssen.«
     
    Auf dem Weg nach Hause trug Anne die Holzlatten mit beiden Armen umschlossen vor sich her. Wie sie vorhergesehen hatte, begann sich ein Nebelschleier sanft über die Straße zu legen. Ihr Anwesen war trotzdem von Weitem zu sehen. New Place. Es war das zweitgrößte Wohngebäude im Ort und das Einzige, das komplett aus Ziegelsteinen gemauert war. Die Eingangstür wurde von Säulen umrahmt, die Fenster waren in Erker eingelassen. Es gab zwei Stockwerke. Darüber thronten drei Giebel. Hinter dem Haus befand sich der eigentliche Grund, warum sie den Bau erworben hatte – ein großer Gemüsegarten und zwei Scheunen.
    Anne verstaute das Holz in dem Schuppen, der an die zweite Scheune grenzte, und besah sich die Buchsbaumsetzlinge, die sie vor vier Wochen gepflanzt hatte. Die Pflanzen waren einen Zoll gewachsen. Bis sie eine Hecke bilden würden, die den Garten in mehrere getrennte Abschnitte teilen würde, brauchte es noch lange. Es war ein Ratschlag, den sie aus Italien erhalten hatte. Dort war es Mode, den Grünanlagen geometrische Formen zu geben. Die wenigen Berichte, die Anne zur Gartenbaukunst in Italien gehört hatte, bestätigten die Annahme, dass die Südländer den Engländern auf diesem Gebiet weit voraus waren. In den Gärten ihrer Nachbarn wucherten die Blumen kreuz und quer in Gemüsestauden. Eine Ordnung ließ sich darin nicht erkennen.
    Für Anne waren Pflanzen das größte Geschenk Gottes an die Menschen. Jedes Mal, wenn
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