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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten
Autoren: Jonathan Kellerman
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unternehmen, aber von Ihnen nehme ich nichts an.«
    »Wie edel«, sagte Broussard. »Als ob Sie eine Alternative hätten.«
    Er drehte sich um und ging davon.
    Milo blieb am Grab stehen, ließ seine Augen über Janies Grabstein wandern. Dieser verdammte Teddybär.
    Er wusste, dass er keine Wahl hatte, wenn er im Department bleiben wollte; er würde das Angebot annehmen, warum denn auch nicht, zum Teufel, alle die mit dem Fall zu tun hatten, waren tot, und er war müde, so müde, und was war denn bitte schön die Alternative?
    Er traf eine Entscheidung. War sich alles andere als sicher, was er sich damit antat, was er seiner Seele antat. Ein anderer hätte sich vielleicht eingeredet, es sei eine mutige Entscheidung. Ein anderer hätte sich nicht so dreckig gefühlt.

49
    Bert Harrisons Anruf kam um neun Uhr morgens. Ich hatte noch geschlafen und bemühte mich, wacher zu klingen, als ich war. Bert wusste trotzdem gleich, dass er mich geweckt hatte.
    »Tut mir Leid, Alex. Ich rufe später wieder an«
    »Nein«, sagte ich. »Wie geht es Ihnen?«
    »Mir geht's gut«, antwortete er. »Aimée ist… sie wird irgendwann lernen, mit dem Verlust zu leben. Wir hatten uns schon damit auseinander gesetzt, weil Bill sowieso nicht mehr viel Zeit hatte; ich hatte versucht, sie darauf vorzubereiten. Aber trotzdem war es natürlich ein schwerer Schock für sie. Ich versuche ihr zu helfen, indem ich immer wieder betone, wie schnell es gegangen ist. Dass er nicht leiden musste.«
    »Das kann ich nur bestätigen. Es war eine Sache von wenigen Augenblicken.«
    »Sie haben es mit angesehen… das muss Ihnen ja«
    »Machen Sie sich keine Gedanken um mich, Bert.«
    »Alex, ich hätte von Anfang an offen zu Ihnen sein sollen. Das war ich Ihnen schuldig.«
    »Sie hatten Ihre Verpflichtungen«, entgegnete ich. »Sie waren an Ihre ärztliche Schweigepflicht gebunden«
    »Nein, ich«
    »Es ist schon in Ordnung, Bert.«
    Er lachte. »Wenn man uns so reden hört, Alex, bitte nach Ihnen, nein, nach Ihnen… Ist wirklich alles in Ordnung, mein Sohn?«
    »Ja, wirklich.«
    »Sie haben ja schließlich den Kopf hinhalten müssen, während ich nur dagestanden und zugesehen«
    »Es ist vorbei«, sagte ich bestimmt.
    »Ja«, pflichtete er bei. Sekunden verstrichen. »Ich muss Ihnen etwas sagen, Alex. Sie sind so ein guter junger Mann. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich Sie ›mein Sohn‹ nenne, denn wenn ich… Ach, das ist albern; ich wollte nur hören, wie es Ihnen geht und wie Sie damit zurechtkommen. Der Mensch hält doch einiges aus.«
    »Wir lassen uns nicht klein kriegen«, sagte ich.
    »Was wäre denn auch eine Alternative?«
    Milo war am Abend gekommen, und wir hatten geredet, bis die Sonne aufgegangen war. Ich hatte viel über Alternativen nachgedacht. »Danke für den Anruf, Bert. Wir sollten uns mal treffen. Wenn sich alles wieder beruhigt hat.«
    »Ja, unbedingt. Das müssen wir tun.«
    Er klang alt und schwach. Ich wollte ihm irgendwie helfen und sagte: »Bald sind Sie wieder bei Ihren Instrumenten.«
    »Wie bitte, o ja, natürlich. Übrigens, ich bin heute früh schon ein wenig gesurft. Ich habe da bei eBay eine alte portugiesische Guitarra entdeckt, die sieht wirklich interessant aus, müsste nur renoviert werden. Andere Stimmung als eine normale Gitarre, aber Sie könnten es vielleicht schaffen, ihr ein paar Töne zu entlocken. Wenn ich sie zu einem angemessenen Preis erstehen kann, sage ich Ihnen Bescheid, dann kommen Sie vorbei, und wir machen ein bisschen Musik.«
    »Klingt nach einem guten Plan«, sagte ich. Im Moment war mir jeder Plan recht.

50
    In den folgenden Tagen versank ich in einem Chaos aus Einsamkeit und verpassten Gelegenheiten. Es dauerte lange, bis ich endlich die Energie aufbrachte, Robin anzurufen, doch sie war nie in ihrem Zimmer.
    Sie rief auch nicht zurück, nicht ein einziges Mal, und ich fragte mich, ob unsere Beziehung an einem neuen Tiefpunkt angelangt war. Ich versuchte, nicht an Janie Ingalls und die anderen zu denken, und schaffte es einigermaßen, meine Gedanken unter Kontrolle zu halten. Allerdings konnte ich mir vorstellen, dass Allison Gwynn höchstwahrscheinlich nicht die Meldung über Michael Larners Tod in der Santa Barbara News-Press gelesen hatte, und dachte mir, dass ich es ihr wo hl sagen sollte. Doch auch dazu konnte ich mich nicht aufraffen.
    Ich vergrub mich in Hausputz und Gartenarbeit, versuchte zu joggen, hypnotisierte mich mit Fernsehen, schlang fade Mahlzeiten in mich hinein, weil es
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