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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Autoren: Peter Wende
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des nordamerikanischen Kontinents die Fundamente für die britische Weltmachtstellung des 18. Jahrhunderts gelegt wurden. Dabei waren die vielfältigen Beziehungen zwischen innerenglischen und überseeischen Entwicklungen äußerst komplex und nur gelegentlich das Resultat einer zielgerichteten und konsequenten Kolonialpolitik der Zentrale, an anderer Stelle und zu anderen Zeiten sogar antagonistischer Natur, wenn etwa puritanische Auswanderer in Übersee ihr Utopia als Gegenmodell zur Realität englischer Zustände einzurichten suchten.
    Wenn es nun zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu erneuten Anläufen für die Gründung überseeischer Kolonien kam, standen sowohl Zielorte als auch Zielsetzungen in der Kontinuität der elisabethanischen Anfänge. Nach wie vor suchte man an der Ostküste Nordamerikas Fuß zu fassen, d.h. außerhalb der Sphäre unmittelbarer spanischer Herrschaft, die in Florida ihren letzten nördlichen Vorposten besaß. Auch war der Zeitpunkt günstig gewählt, denn gleich nach seinem Regierungsantritt hatte König Jakob den Krieg mit Spanien beendet. Das bedeutete zwar nicht, daß Spanien damit auf seinen grundsätzlichen Anspruch auf die Gesamtheit des amerikanischen Kontinents westlich der 1494 im Vertrag von Tordesillas festgelegten Linie verzichtet hatte. Dem aber hatten die Engländer stets entgegengehalten, daß sie nur Rechtsansprüche anerkennen würden, die sich aus tatsächlicher Besiedelung ableiten ließen, und dies im Vertrag zu London 1604 nochmals ausdrücklich betont. Denn nachdem Engländern das Goldland El Dorado offenkundig verschlossen blieb, war ihr Interesse nicht auf die Eroberung, Beherrschung und Ausbeutung indigener Gesellschaften nach dem Vorbild der Spanier ausgerichtet, sondern auf die Errichtung von Siedlungskolonien und den daraus zu ziehenden Gewinn. Dem kam entgegen, daß es sich bei den nordamerikanischen Küstenregionen offenkundig um dünn besiedelte Gebiete handelte, welche, einer zeitgenössischen Chronik zufolge, «ertragreich und für die Besiedlung geeignet sind, da sie frei von jeglicher zivilisierter Bevölkerung sind und wo es nur wilde und viehische Menschen gibt, welche hin- und herziehen, wenig anders als wilde Tiere»[ 1 ].
    Unter solchen Prämissen war für die Engländer die Legitimation der Landnahme kein Problem. Hier lieferte gegen Ende des 17. Jahrhunderts John Locke in seiner Second Treatise of Government das klassische Argument mit der These, daß Eigentum an einer Sache nur dort entstehen könne, wo menschliche Arbeit investiert worden sei: Nur wer Land systematisch und zielgerichtet kultiviert, hat einen Rechtsanspruch darauf, nicht aber nomadisierende Jäger und Sammler. Diese könnten allenfalls Objekt der Fürsorge, insbesondere der Heidenmission werden, keinesfalls jedoch gleichberechtigte Partner im Rahmen der neu einzurichtenden, auf Agrarwirtschaft und Handel basierenden zivilisierten Gesellschaft. So war auf dem Siegel der Massachusetts Bay Company 1629 ein Indianer abgebildet, der ein Banner mit der Inschrift ‹Come over and Help Us› schwingt; selbstverständlich konnten solche dringend geforderten Hilfeleistungen nur mit umfangreichen Landabtretungen abgegolten werden. Darüber hinaus galt generell, daß unter dem zunehmenden Einfluß des Puritanismus auf die nationale Mentalität die Engländer des 17. Jahrhunderts sich als das neue, von Gott auserwählte Volk betrachteten, um daraus ihren Anspruch auf Landnahme in Amerika nicht nur gegenüber den indigenen Völkern, sondern auch gegenüber europäischen Rivalen in Übersee, d.h. den katholischen Spaniern und Franzosen, aber auch den Holländern, die 1613 auf der Insel Manhattan gelandet waren, abzuleiten.
    Während der ersten Phase englischer Koloniegründungen, in der Zeit zwischen 1607 und 1660, lassen sich nicht nur drei geographische Schwerpunkte mit dem Bereich des Chesapeake Bay, dem Gebiet um Plymouth und die Massachusetts Bay sowie einigen westindischen Inseln unterscheiden, sondern zugleich zwei unterschiedlich motivierte und organisierte Formen der Auswanderung und Besiedlung, wie sie die Gründungsgeschichten Virginias sowie der ersten Neu-England Kolonien im Norden verdeutlichen.
    Virginia
    Als am 10. April 1606 einer Gruppe von Londoner Kaufleuten zusammen mit einigen einflußreichen Personen aus dem Umkreis des königlichen Rats eine Charter für die Gründung einer Kolonie zwischen dem 34. und 45. Breitengrad gewährt wurde, knüpfte man damit an frühere
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