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Das boese Blut der Donna Luna

Das boese Blut der Donna Luna

Titel: Das boese Blut der Donna Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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verzeihen, weil sie mir sich selbst in Klein überlassen hat. Aber es ist furchtbar, gleichzeitig zu lieben und zu hassen. Ich habe sie so sehr geliebt und so sehr gehasst. Sie hatte kein Recht, das zu tun«, murmelte er wie zu sich selbst, »mich zu verlassen.«
    Nelly war von Alessandros Worten und dem wechselnden Mienenspiel auf seinem Gesicht dermaßen in Bann geschlagen, dass sie die Aussicht, sein nächstes Opfer zu sein, und die höllischen Schmerzen in ihrem Arm fast vergessen hatte. Sie hatte nicht gewagt, ihn zu unterbrechen, doch als sie merkte, dass er in seinen Erinnerungen versank, stichelte sie weiter.
    »Und als sie, die kleine Schwestertochter, gestorben ist ...«
    Er schwieg, und auf seinen Lippen lag ein höhnisches Lächeln.
    »In Amerika, der Serienkiller ...«
    Alessandro antwortete mit einem sarkastischen Lachen. Er wollte sich schier totlachen über ihren Einwand, das war offensichtlich, doch weniger offensichtlich war der Grund für seine Heiterkeit. Jetzt musste er völlig durchgedreht sein.
    »Ach, meine kleine Hobbypsychologin, du willst wissen, ob Giacintas Tod das traumatische Ereignis war, das in mir etwas ... ausgelöst hat? Die Sammelleidenschaft für Köpfe? O nein. Nicht ihr Tod. Auch sie hatte mir ein Geschenk hinterlassen. Titta. Ihre Kommilitonin vom Konservatorium. Sie hat die Leere in meinem Herzen gefüllt, nachdem meine Liebe, meine Frau von mir gegangen war.«
    »Deine Liebe? Deine Frau?«
    Endlich begriff Nelly. Die Bestätigung für ihre Vermutung kam von Alessandro selbst. Er hatte das Mädchen großgezogen, und dann hatte sich die familiäre Verführung wiederholt, er hatte den Inzest zur Perfektion der Liebe glorifiziert, zu einem Privileg all jener, die sich nicht von sinnlosen gesellschaftlichen Regeln unterwerfen lassen. Als Giacinta zwölf Jahre alt war, hatte er sie zu seiner Geliebten gemacht. Das Mädchen war ihm dankbar, es vergötterte ihn. Alessandro war alles für sie. Sie war einverstanden und anfangs sogar stolz darauf, dass er sie so sehr liebte und anderen Frauen vorzog, doch mit der Zeit ging ihr auf, was für ein ungewöhnliches und seltsam perverses Verhältnis das war, und das hing wie ein Schatten über ihrer Beziehung.
    Giacinta wuchs heran, sie war eine Frau geworden, und irgendwann würde die wahre Natur ihrer Beziehung herauskommen. Um das zu vermeiden, hatte Alessandro ein äußerst verlockendes Stellenangebot angenommen, das sie zurück nach Europa führen sollte. Doch – langes Zögern, ein Suchen nach den passenden Worten – der Plan war von Giacintas Tod durch die Hand eines Serienmörders vereitelt worden. Allein die Liebe Tiziana Rolandis, einer italienischstämmigen Studentin und Freundin der Schwester, hatte ihn vor dem totalen Zusammenbruch bewahrt. Sie waren zusammen nach Europa zurückgekehrt, an den Luganer See gezogen und hatten dort ein paar glückliche Jahre verbracht. Sie wollten heiraten.
    »Irgendwann sagte Titta mir, dass sie ein Kind erwarte. Wir haben es bekommen. Alles schien perfekt, doch es litt an einer äußerst seltenen Missbildung, die weder durch die Fruchtwasseruntersuchung noch durch den Ultraschall diagnostiziert worden war. Es konnte nicht überleben. Als der Kleine starb, ist sie auch eingebrochen, sie war einer Liebe wie der unseren nicht gewachsen, wertvoll wie Gold, rot wie Blut, weiß wie die Unschuld. Auch sie hat mich betrogen, verlassen. Allerdings hat sie sich nicht umgebracht wie meine Mutter, die sich mir auf ewig entzogen hat. Sie ist einfach nur fortgegangen und hat es mir unmöglich gemacht, sie aufzuspüren. Bis jetzt zumindest.
    Ich ... kann gar nicht sagen, was ich durchgemacht habe. Die ganze verfluchte Vergangenheit ist über mich hereingebrochen, die perfekte Liebe, die Leidenschaft, Camélias enthaupteter Körper, der wie eine Reliquie bewahrte Kopf ... Giacinta, ihr Tod, und jetzt Titta, die mich alleinließ. Ich glaubte die Kontrolle zu verlieren. Ich bin fast verrückt geworden, die meisten Menschen würden mich wohl für wahnsinnig halten, das ist mir klar. Aber in meinen Augen bin ich es nicht. Ich habe nur zu sehr geliebt und bin zu tief enttäuscht worden. Verfluchte Frauen und ihre Schwäche.
    In genau dieser Zeit hat mich der alte Lucrezio Manara gebeten, mich seines Sohnes anzunehmen. Es war die Begegnung zweier verwandter Seelen, zweier von allzu großer Liebe, von Schmerz, Verlassensein und Hass gezeichneter Schicksale. Zusammen haben wir unsere ... gemeinsame Therapie
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