Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Gretel überhaupt nicht über ihre Speisepläne – in Ernestines Augen ein Zeichen für Vornehmheit.
    In der Gartenlaube  – der Zeitschrift, für die Ernestine allwöchentlich ein paar Groschen abknapste – war über Brot und Käse auch nichts zu lesen. Dafür über emsige Hausfrauen, zu deren vordringlicher Aufgabe das Auftischen abwechslungsreicher Speisen gehörte.
    Sieben Tage hatte die Woche. Das ergab nach Ernestines Planung 21 Gänge für mittags und 14 für abends, also 35 Speisen insgesamt! Diese sollten in der Herstellung nicht schwierig und die Zutaten sollten günstig zu bekommen sein.
    Ernestine befingerte betrübt den Spitzenrand ihres Blusenärmels, der an einer Stelle leicht bräunlich schien. Vom Kaffee? Oder woher rührte der Fleck sonst? Sie feuchtete ihren Finger mit etwas Spucke an und rieb über die Stelle – vergeblich.
    Niemand hatte sie je darüber aufgeklärt, dass man als Hausfrau zaubern können musste. Aber genau das wurde tagtäglich von ihr verlangt. Und dabei durfte sie nie den Überblick verlieren. Auf wirklich alles ein Auge zu haben war natürlich unmöglich … Wenn sie allein an all die Anweisungen für Sabine dachte! Die sie natürlich in der richtigen Reihenfolge geben musste – es war schließlich Unfug, die Magd erst am späten Vormittag auf den Markt zu schicken, wenn die besten Waren längst in den Einkaufskörben anderer Mägde oder Hausfrauen verschwunden waren. Also musste Sabine gleich frühmorgens los zum Einkaufen. Der Weg hinauf zum Marktplatz war steil, und wenn Ernestine ihn einmal selbst auf sich nahm, flatterte ihr Herz und sie musste auf den vielen Stufen mehrmals innehalten, um wieder zu Kräften zu kommen.
    Himmel hilf! Was sollten sie heute Mittag nur auf den Tisch bringen? Suppe? Pfannkuchen? Eine Platte mit Gemüse und dazu etwas Schinken? Nein, Schinken war für einen Montag zu vornehm. Speck dagegen würde passen. Speck war für montags geeignet. Und nicht allzu teuer.
    Urplötzlich war er wieder da – der Gedanke, der Ernestine ganz besonders verhasst war, nämlich, dass es ihr Fehler war, dass das Geld im Hause Sonnenschein so knapp war. Hätte eine geschicktere Hausfrau nicht längst Wege gefunden, um noch besser hauszuhalten?
    Der Gedanke ans Geld war Ernestine peinlich. Über Geld zu sprechen ziemte sich für eine Dame nicht – das hatte schon Ernestines Mutter vor Urzeiten gepredigt. Und daran hatte sich nichts geändert. Man konnte nicht einfach zum Ehemann gehen und um mehr Geld bitten.
    Nein, da war es doch sinnvoller, auf den Speck zu verzichten und nur Gemüse zu servieren.
    Gemüseplatte, sehr fein , schrieb Ernestine auf ihre Liste. Die Tinte war noch nicht trocken, als sie einen erneuten Seufzer ausstieß.
    Es ging ja nicht allein darum, Listen zu erstellen oder Aufgaben abzuhaken. Alles musste richtig erledigt werden. Wie ofthatte sie Sabine schon gerügt, weil diese die Wäsche plättete, ohne sie vorher mit Lavendelwasser zu besprühen? Eine gute Hausfrau wusste schließlich, dass dieser Geruch beruhigend auf die Gemüter wirkte. Und dann die Vorratskammer. Wenn Ernestine nur daran dachte … Die Vorratskammer war im Grunde genommen gar keine Vorratskammer, sondern eine Hölle voller Fallstricke und Verfehlungen. Sabine fand tatsächlich nichts dabei, Kartoffeln, Möhren und womöglich noch Äpfel in ein und demselben Regal zu lagern! Ganz davon abgesehen, dass dies unordentlich aussah, tat das Durcheinander den Lebensmitteln gewiss nicht gut. Ernestine hatte irgendwo einmal gehört, dass sich Äpfel und Kartoffeln nicht vertrugen. Also mussten die Äpfel auf das eine Regalbrett und die Kartoffeln aufs nächste. Und sollte man die gelben Äpfel nicht auch von den roten trennen?
    Â»Aber das Gemüse landet doch eh zusammen im Topf«, gab Sabine zur Antwort, wenn Ernestine sie für ihre Nachlässigkeiten rügte.
    Kuno war ihr natürlich im Umgang mit dem Dienstmädchen keine Hilfe. Friedrich auch nicht. Beide verließen sich darauf, dass sie es schon richten würde. Nach dem »Wie« fragten sie nicht.
    Dieses Lehrmädchen, das Friedrich eingestellt hatte, war das beste Beispiel dafür. War sie, Ernestine, etwa gefragt worden, ob sie bereit war, diese neue Bürde auf sich zu nehmen? Und ob das Haushaltsgeld für einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher