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Das blaue Feuer - Roman

Titel: Das blaue Feuer - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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mir angetan hatten. Ich packte einen Schemel und schleuderte ihn gegen die Tür.
    »Ihr habt mich gezwungen, meine Schwester im Stich zu lassen.«
    »Ich weiß, das tut uns auch wirklich leid. Es tut uns auch weh.«
    Ich warf mit etwas anderem. Ich machte mir nicht die Mühe zu sehen, was es war. »Nicht genug, wenn ihr sie hiergelassen habt.«
    »Wenn wir auch nur eine Minute lang geglaubt hätten, wir könnten sie retten, wären wir mit dir in Baseer geblieben.«
    Ich wollte ihn einen Lügner nennen. Schreien, was die Lunge hergab. Aber Danello log niemanden an. Aylin schon, aber auch nicht mich.
    Ich ließ mich wieder auf die Koje fallen. Warum taten sie das? Das musste ich wissen. Ich musste ihre Gesichter sehen, in ihre Augen schauen und fragen, warum sie Tali zurückgelassen hatten.
    »Ich tue dir nicht mehr weh«, sagte ich und war beinahe sicher, dass ich es ernst meinte.
    Danello hatte offenbar auch Zweifel, denn er wartete eine Minute, bis er die Tür öffnete. Er steckte den Kopf herein, vorsichtig und jederzeit bereit, zurückzuspringen.
    »Ich kann hereinkommen?«
    »Ja.«
    Er wagte es und machte die Tür hinter sich zu. Ein anderer schloss sie ab.
    Meine Wut flammte auf, aber nur für einen Herzschlag. Es tat zu weh, noch weiterzukämpfen. »Aylin kommt nicht herein?«
    »Nein. Sie hat noch mehr Angst vor dir als ich.« Er lächelte misstrauisch. »Aber nicht viel.«
    »Meine Entführung war ihre Idee?«
    Er nickte.
    »Und du hast zugestimmt.«
    »Ich wusste, sie hatte recht. Du würdest nie wegfahren, wenn wir dich nicht dazu zwängen.« Er machte einen vorsichtigen Schritt, die Hände vor dem Körper verschränkt. »Ich wollte dich nicht verlieren.«
    Stattdessen hatten wir Tali verloren.
    »Wie konntest du mir das antun?«
    Er zuckte zusammen, schaute zu Boden, dann wieder auf mich. In seinen Augen las ich Traurigkeit. »Wir wussten nicht, was wir sonst hätten tun sollen.«
    »Also habt ihr beschlossen wegzufahren?« Ich spürte das Verlangen, wieder Dinge zu schleudern.
    »Wir mussten eine Wahl treffen. Du oder Tali. Wir wussten, dass wir nicht euch beide retten konnten, und wir wussten, dass wir Tali nicht retten konnten. Wir haben das gemacht, was du getan hättest.«
    Mir blieb die Luft weg.
    Danello nickte langsam. »Es war hart, aber wir mussten für jemanden entscheiden, der dazu nicht imstande war. Du.«
    Ich schloss die Augen und bekämpfte die Tränen. Es war nicht die Wahl, die ich getroffen hätte. Aber das hast du, als du entschieden hast, Aylin und Danello zuerst zu retten.
    Leise Schritte kamen durch die Kabine. Ich machte die Augen auf.
    »Was ist, wenn sie stirbt?« Es wäre meine Schuld.
    Danello setzte sich neben mich, allerdings immer noch misstrauisch. »Wird sie nicht. Sie ist zäher als du glaubst. Du hast ihr beigebracht zu überleben, genau wie mir.«
    »Was ist, wenn das nicht genug war?«
    »Es wird genug sein.«
    Ich schaute ihn an und hätte ihn am liebsten wieder mit den Fäusten bearbeitet, gleichzeitig sehnte ich mich danach, mich in seinen Armen zusammenzurollen.
    »Es tut mir so, so leid, Nya.«
    Ich barg mein Gesicht an seinem Hals und schluchzte. Er hielt mich, streichelte mein Haar und versicherte mir, alles würde gut werden.
    Aber das stimmte nicht. Vielleicht würde es nie wieder gut werden.
 
    Das Boot hielt an einem verwitterten Anlegesteg, der aussah, als hätte hier seit Jahren keiner mehr festgemacht. Aber bei näherem Hinsehen stellte man fest, dass das Holz massiv und verstärkt worden war. Jemand hatte sich große Mühe gegeben, dass alles alt und unbenutzt aussah.
    Sechs Wagen warteten auf uns, samt Fahrern und bewaffneten Wachen. Sie begrüßten Jeatar äußerst respektvoll, den Rest von uns höflich. Wir besaßen mehr Ausrüstung und Nachschub als ich erwartet hatte. Sobald wir Platz genommen hatten, wurde alles verstaut. Ich fragte mich, woher sie von unserer Ankunft wussten. Doch dann sah ich, dass ein kleiner Käfig mit Vogelboten ausgeladen wurde. Jeatar hatte ihnen offensichtlich mit Hilfe dieser Vögel mitgeteilt, dass wir kamen.
    Er hatte immer einen Fluchtweg parat. Wahrscheinlich war er deshalb noch am Leben.
    Auf der Fahrt sprach ich nicht. Aylin versuchte, mit mir zu reden, aber ich starrte nur auf das Marschland, die Felder und die sanften Hügel. Meilenweit, während wir tiefer ins Inland rollten. Nach einer Stunde erreichten wir eine Steinmauer mit einem schweren Tor. Einer von Jeatars Männern ließ uns herein. Die Mauer sah
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