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Das Bild - Geschichte einer Obsession

Titel: Das Bild - Geschichte einer Obsession
Autoren: Jean de Berg
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dargestellten Sex-Protze heranreichen und so ausschließlich auch gar nicht an sexuellen Dingen interessiert sind, dürfte den Mädchen manche Phantasmagorie zergehen. Zudem haben die Männer mehr zu tun, als die Frauen zu unterwerfen.»
Vergebens setzte sich Walter Jens als Gutachter für das Buch ein: «Nein, hier geht es nicht um gehobene Unterhaltungs-Literatur, hier steht ein Werk der Kunst zur Debatte, das souverän alle Praktiken moderner Poesie beherrscht [...] hier ist ein Autor von Rang am Werk, ein Dialektiker und Stilist zugleich. Ich bin sicher, es gibt viele Schriftsteller, die viel darum gäben, wenn ihnen einmal ein derartiges Buch gelänge, ein Roman, in dessen Mittelpunkt nicht Erotisches, sondern [...] Spirituelles steht.»
Auch Susan Sontags Einschätzung der ? «als hochgradig ‹literarisches› Werk» (siehe ihren Essay «Die pornographische Phantasie» in: Kunst und Antikunst , Frankfurt 1982) überzeugte die Bundesprüfstelle nicht. D ie Geschichte der O wurde in Deutschland indiziert. 1982 erneut.
Doch genug der Abschweifung: Die Geschichte der O , schon Jean Paulhan hat das in seinem Vorwort betont, ist ein «gefährliches Buch», eins «jener bedrohlichen Schwarzen Bücher, die in der Nachbarschaft de Sades oder des obszönen Werks von Georges Bataille eher anzusiedeln sind als neben dem letzten bunten Heft über heiße Mädchen oder heiße Höschen» (Dieter E. Zimmer).
Und in diesen «bedrohlichen» Büchern geht es nun einmal um mehr als nur um von der Norm abweichende Triebbefriedigung: Bücher dieses Gewichts thematisieren das traumatische Scheitern der modernen kapitalistischen Gesellschaft, wie Susan Sontag sagt, das Versagen beim Erschaffen sinnstiftender, gesteigerter Lebensabläufe. «Das Verlangen des Menschen nach Überschreitung des ‹ Persönlichen › ist nicht weniger stark als sein Verlangen, Person, Individuum zu sein. Diesem Verlangen jedoch kommt unsere Gesellschaft nur wenig entgegen.»
Um so heuchlerischer ist es dann, sich über quasireligiöse Rituale zu wundern, die gerade aus dieser Not entstehen, als Ventil, als Zeichen des Mangels, als Ersatz.
«Wer ist Pauline Réage?» fragte Jean Paulhan und antwortete: «Einfach eine Träumerin, wie es viele gibt? (Es genügt, sagt man, auf sein Herz zu hören. Hier ist ein Herz, das vor nichts zurückschreckt.)»
Und Pauline Réage selbst schreibt (im 1969 publizierten Fortsetzungsband Rückkehr nach Roissy ): «Wer bin ich also,... wenn nicht der auf lange Zeit stumme Teil, der nächtliche und geheime Teil von jemandem, der sich öffentlich niemals durch irgendeine Handlung, eine Geste, auch nicht durch ein Wort verraten hat, sondern vielmehr durch die Kellergänge des Imaginären Verbindung mit Träumen unterhielt, die so alt sind wie die Welt?»
Sie präzisiert: «Sade hat mir begreiflich gemacht, daß wir alle in dem Sinne Kerkermeister und alle im Gefängnis sind, als es einen in uns gibt, den wir anketten, den wir einsperren, den wir zum Schweigen bringen.»
Apropos Schweigen, sechs Jahre später, 1975, Just Jaeckin promotet gerade seine O-Verfilmung (dem Spiegel war das eine Titelstory wert), bricht Pauline Réage das ihre. (Ohne sich allerdings gänzlich zu demaskieren.) Zuerst in ELLE: «Sie sitzt vor mir; schweigt. Woher den Mut nehmen, mit ihr über Erotik zu sprechen, über Sadismus, über O? Pauline Réage wirkt wie eine Nonne. Dunkelblaues Kostüm, flache Schuhe, kein Make-up... Einschüchternd.» Und dann für ein Buch von Regine Deforges mit dem Titel Die O hat mir erzählt , einem langen, aufschlußreichen, im Vergleich zur Radikalität der Geschichte der O allerdings ein wenig harmlosen Gespräch: «Ich habe nie einer Frauenrechtsbewegung angehört, aber ich bin immer Frauenrechtlerin gewesen. Das Schlimme in meinem Fall ist, wie soll ich das sagen, daß ich den Männern gegenüber im allgemeinen nicht das geringste Minderwertigkeitsgefühl habe und sie auch nicht besonders bewundere...»
Irgendwie stimmen diese Sätze nicht so recht, das Gespräch ist auch keineswegs so harmlos, wie es scheint, nein, diese Propagandistin unbarmherziger Unterwerfung, diese Visionärin totaler Demut und Selbstautlösung entpuppt sich in ihm als eine Romantikerin von bedenklichem Ausmaß, beängstigend naiv und gläubig zugleich: «Es ist unmöglich, mit jemandem ganz einfach nur zu schlafen, ich meine, selbst wenn es sich ausschließlich um die sogenannte käufliche Liebe handelt, wenn die Betreffenden sich nicht kennen,
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