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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen
Autoren: Rachel Hore
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Gezeitentümpeln«, sagte Hetty mit glänzenden Augen. »Und die geheimen Stufen von der Bucht aus.«
    »Nach Carlyon.«
    »Ach, Carlyon«, seufzte Hetty. »Ich kann nicht ertragen, daran zu denken, dass es das Haus nicht mehr gibt!«
    »Ich auch nicht«, sagte Beatrice.
    »Was ist eigentlich mit Carlyon passiert, Tante Hetty?«, fragte Lucy leise.
    »Bis auf die Grundmauern niedergebrannt«, antwortete Hetty. Ihre Miene verdüsterte sich wie bei einem Kind. »Und Mutter mit ihm.« Nach einem Augenblick fügte sie sehr langsam und deutlich hinzu: »Nach dem Krieg, als ich im Internat war, hat sie allein da gewohnt. Der Doktor hat ihr Tabletten gegeben, damit sie schlafen konnte. Sie hat oft geklagt, sie könnte nicht schlafen. Sie muss sie genommen und ihre Zigarette vergessen haben. Das passierte ihr manchmal, weißt du.«
    »Ja, ich erinnere mich«, seufzte Beatrice. »Arme Oenone!«
    »Wie schrecklich!«, flüsterte Lucy. »Und das Haus ist nie wieder aufgebaut worden. Wem gehört es jetzt?«
    »Peter«, antwortete Hetty. »Obwohl er es nie gewollt hat.« Dann schaute sie Lucy direkt an. »Peter hat mir erzählt, dass er es Tom hinterlassen wollte. Aber Tom ist tot. Also, Lucy, Carlyon wird eines Tages dir gehören. Und zwar ziemlich bald, denke ich. Armer alter Peter.«
    Als sie mit dem Auto zurück nach Saint Florian fuhren, überraschte Beatrice Lucy mit der Bemerkung: »Weißt du, ich denke, ich werde hinfahren und Hetty noch mal besuchen. Vielleicht hilft es ihr, mehr zu reden. Sie ist ein mürrisches altes Ding, aber sie ist bestimmt einsam. Und sie erinnert sich, Lucy! Es ist so schön, wenn man alt ist und mit anderen redet, die sich erinnern.«

EPILOG
    An diesem Abend spazierten Anthony und Lucy nach dem Essen im Hotel auf dem schmalen Pfad über die Landzunge zum Strand, als der Mond aufging. Er half ihr, von den Felsen zum Stand hinunterzusteigen, legte seine Arme um sie und küsste sie. Später nahmen sie den Weg über die Dünen, gingen zurück zu dem Haus, in dem er wohnte, und stiegen die Treppe zu seinem Zimmer hoch. Dort liebte er sie sehr sanft.
    Als sie danach in der Dunkelheit nebeneinanderlagen, erzählte er ihr nach und nach, was er durchgemacht hatte. Zuerst sprach er stockend, aber dann gewann er an Sicherheit, als er die Geschehnisse noch einmal durchlebte. Vermutlich war es die Dunkelheit, die ihn befreite und ihm die Zunge löste. Lucy lag ruhig da und hörte nur zu. Irgendein Instinkt gab ihr ein, dass sie keine Fragen stellen und keine Kommentare abgeben, sondern einfach nur zuhören sollte. Und überhaupt, dachte sie – was wusste sie denn schon, verglichen mit dem, was er durchgemacht hatte?
    Sie waren in der Provinz Helmand gewesen, erzählte er, und hatten eine Talsperre bewacht. Das Gebiet war besonders gefährlich, das wusste jeder, nicht nur wegen der Aufständischen, sondern auch wegen der nicht markierten Bereiche mit Landminen. Diese waren offenbar von einer Bauart gewesen, die ihre Opfer eher verstümmelte als tötete, und alle paar Tage hatten die Soldaten eine neue Horrorgeschichte erfahren. Wer konnte schon Kinder davon abhalten, in zerstörten Gebäuden zu spielen oder auf dem Weg nach Hause eine Abkürzung über die Felder zu nehmen? Überall waren diese Dinger versteckt und nicht aufzuspüren, bevor es zu spät war.
    An jenem Nachmittag brachen sie auf einen dringenden Anruf hin auf. Anthony fuhr, Gray saß neben ihm in dem gepanzerten Fahrzeug. Auf der Bergstraße schüttete es wie aus Eimern. Sie wollten eine Patrouille retten, die dorthin gefahren war, wohin sie nicht sollte, um solch einem Kind zu helfen – und die den Preis dafür bezahlt hatte.
    Er hätte es sehen müssen! Wie viele Male hatte man sie davor gewarnt? Aber er sah es erst, als es zu spät war. Ein Draht, der über die Straße gespannt war, schimmerte auf und reizte seine Aufmerksamkeit für den Bruchteil einer Sekunde. Dann waren sie schon über der Mine.
    Die Explosion schleuderte das Fahrzeug in die Luft. Irgendwie wurde Anthony in die Höhe geschleudert, aber Gray, der arme Gray, war in einem Feuerball eingehüllt. Er hatte nicht den Hauch einer Chance, und Anthony würde sich für immer an die Schreie seines Freundes erinnern.
    Als Anthony im Feldlazarett lag und sich von seinen geringfügigen Verbrennungen, den gebrochenen Rippen und dem Schock erholte, spielte er in seinem Kopf immer und immer wieder durch, was geschehen war. Er bemühte sich, es zu verstehen, aber es gelang ihm nicht.
    Er
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