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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen
Autoren: Rachel Hore
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›Tante‹ gewesen. Aber ich konnte das nicht. Ich konnte es einfach nicht! Er gehörte mir, und ich wollte ihn zurück – dieser Gedanke verzehrte mich …
    Dann geschah etwas Wunderbares: Rafe bat mich, ihn zu heiraten. Und was konnte ich anderes sagen als Ja? Ich hatte ihn von dem Moment an geliebt, als ich ihm zum ersten Mal begegnet war. Wie ich schon sagte, Lucy, das mag für eine moderne junge Frau wie dich lächerlich klingen, aber so war das eben. Guy, dein Großvater, war etwas sehr Besonderes, und ich hatte ihn auch geliebt, aber nicht so, wie ich Rafe liebte.
    Im Dezember 1944 haben wir in London in aller Stille geheiratet. Mein Vater kam mit dem Zug, um mich dem Bräutigam zuzuführen, und schaute bei dieser seltenen Gelegenheit auch bei seinem Verlag vorbei. Tante Julia und Onkel George waren da, außerdem Rafes Mutter und Stiefvater und ein paar Freunde … Oh, und die wunderbare Miss Warrender, bei der ich gewohnt hatte, als ich auf dem Remontehof arbeitete, und durch die ich zur FANY gekommen war. Wir hatten uns von Zeit zu Zeit Briefe geschrieben. Tatsächlich blieb ich mit ihr in Kontakt, bis sie starb.«
    »Und was geschah mit Tommy?«, fragte Lucy gespannt.
    »Ich komme sofort darauf«, sagte Beatrice. »Im Herbst 1945 hatte ich Tommy ein Jahr lang nicht gesehen, dafür hatte Angie gesorgt. Mein Fall hatte sich nicht sehr zu meinen Gunsten entwickelt: Michael Wincantons Rechtsanwälte argumentierten, ich sei eine untaugliche Mutter, die noch nicht mal mit Tommys Vater verheiratet gewesen sei und die den Kleinen verlassen hätte, um ihren eigenen Weg zu gehen. Da ich inzwischen eine respektable Ehefrau war, hätte ich mich vielleicht erfolgreich gegen einige dieser Vorhaltungen wehren können. Aber in einer Hinsicht traf ihre Darstellung zu: Tommy konnte sich nicht an irgendeine andere Mutter als Angie erinnern. Wenn ich die Klage weiterverfolgt hätte, trotz der immensen Kosten, hätte ich den Prozess vielleicht am Ende gewonnen. Aber irgendwann habe ich eingesehen, dass es noch eine andere Seite der Medaille gab.
    Angenommen, ich hätte gewonnen und Tommy wäre mir wieder zugesprochen worden. Was hätte man ihm damit angetan, wenn man ihn von vertrauten Menschen weggenommen und zu einem fremden Paar geschickt hätte? Ich habe gegrübelt und gegrübelt und versucht, das Ganze aus seiner Perspektive zu sehen.
    Und ich musste auch an Rafe denken. Er hatte mich, was Tommy betraf, die ganze Zeit, unterstützt, aber die ganze Sache hatte auch seine eigene Familie gespalten. Die Belastung machte sich mehr und mehr bemerkbar. Ich war davon besessen, Tommy zurückzubekommen, und es muss sehr hart für Rafe gewesen sein, dass sich seine frischgebackene Ehefrau nicht auf ihren Mann konzentrierte. Er hätte sich sicherlich bemüht, ein guter Vater für Tommy zu sein, das weiß ich. Doch die Tatsache blieb, dass er nicht sein Vater war. Und außerdem hatte er selbst schlechte Erfahrungen mit Vätern gemacht – er war nie mit seinem eigenen Stiefvater zurechtgekommen.
    Im September 1945 sind wir in eine Wohnung in Regent’s Park gezogen, nicht weit von dem Haus, in dem ich mit Dinah gelebt hatte. Aufgrund seiner Erfahrungen hatte Rafe eine Arbeit beim Militärischen Nachrichtendienst gefunden, was bedeutete, dass er gelegentlich nach Frankreich zurückkehren musste. Seit dem Sommer war er dann aber endgültig in England. Zuvor hatte er es noch geschafft, Kontakt zur Familie meiner Mutter in der Normandie aufzunehmen. Wie sich herausstellte, ging es meiner Großmutter und meiner Cousine Thérèse sehr gut. Die Gestapo hatte ihnen zwar 1943 einen Besuch abgestattet und das Haus durchsucht, aber sie waren nie im Gefängnis gewesen. Offenbar hielt einer meiner Onkel den Bauernhof in Schwung.
    Seit ich ein Jahr zuvor im September in Carlyon gewesen war, hatte ich keinen von den Wincantons mehr gesehen. Nein … Ich lüge, denn im Juni 1945 hatte ich zufällig Peter getroffen, als ich irgendwann um die Mittagszeit vor dem ›Claridge’s Hotel‹ aus einem Taxi stieg. Er war mit einem großen, gelehrt aussehenden Mann zusammen, und sobald er mich sah, kam er über die Straße auf mich zu. Er trug Zivilkleidung und hatte noch immer diesen verbitterten, unglücklichen Gesichtsausdruck. Ob er ihn wohl jemals abgelegt hat?
    ›Du hast also doch noch den Mann bekommen, den du wolltest‹, sagte Peter. Offenkundig hielt er sich über den Familientratsch auf dem Laufenden. ›Das freut mich sehr für
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