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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben
Autoren: Axel Hacke
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sagte die Frau im Telefon.
    Ich steckte den Kopf mit dem Telefon tief in eine Lücke zwischen den Marmeladengläsern. Der Mann stellte sich auf die Zehenspitzen. Bellte mir ins Gesicht: »Sind ja sooo wichtig!«
    »Ich hätte das nicht tun sollen«, sagte ich ins Handy. »Peinlich, dass ich anrufe?«, fragte sie.
    Der Mann war verrückt. Seine Augen waren hasserfüllt. »Sie sind ja sooo wichtig!«, keuchte er durchs Regal. »Müssen beim Dallmayr telefonieren!«
    »Nein«, sagte ich in den Apparat. »Ich hätte einfallsreicher sein sollen. Etwas wie: ›Sie sind schön, ich bin verwirrt, ich habe meinen Namen vergessen.‹ Fiel mir erst hinterher ein.«
    Ich hatte den Kopf fast hinter den Gläsern mit der Erdbeermarmelade.
    »Sie sind verwirrt? Haben Ihren Namen vergessen?«, fragte sie. Durch das Gezischele des Irren hatte sie nicht den ganzen Satz verstanden. »Mit wem spreche ich?«, fragte sie.
    Paola blickte von der Salattheke herüber. Der Kopf des Mannes folgte mir, krebsrot. Ist das hier der Dallmayr oder Teufels Küche?, dachte ich. »Sie sind ja sooo wichtig«, heulte der Mann.
    »Sind Sie wahnsinnig?«, zischte ich. »Nein, ich wollte sagen…«, sagte ich ins Telefon, »hallo?… Hallo?«
    Aufgelegt.
    »Arschloch«, sagte ich zum Lodenmantel und drängelte durch die Menge zu Paola.
    »Ein soooo wichtiger Herr!«, höhnte er hinter mir her. »Was wollte der komische Typ von dir?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung«, antwortete ich müde.
    »Und wer war nun am Telefon?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung, nichts verstanden«, antwortete ich noch müder.
    »Ich habe Salat zum Abendessen gekauft«, sagte sie sanft. »Möchtest du noch etwas anderes außerdem?« Sie gab mir einen Kuss.
    Ich mach’s auch nie wieder, dachte ich, nie wieder! Ich Schwein. Ich Narr. Ich Narrenschwein.
    »Ich… ach, ich bin doch nicht wichtig«, sagte ich leise.

Wenn du dann noch lebst …
    H in und wieder fragt man sich: Was aus den Kindern mal wird? Ob sie etwas Ähnliches tun werden wie ihre Eltern – oder genau das Gegenteil? Ob Luis in vielen Jahren sagen wird: Tag für Tag sah ich, wie mein Vater sich quälte bei seiner Arbeit, wie er litt bei der Zusammenstellung der Buchstaben zu Wörtern, der Wörter zu Sätzen und der Sätze zu Texten, wie er sich, äh, wie sagt man: schund? schindete? schand? Na gut: plagen musste. Ob Luis also sagen wird: Weil ich das alles täglich mit ansehen musste, beschloss ich, etwas anderes zu werden, genau das Gegenteil.
    Aber was ist das Gegenteil, von dem, was ich tue?
    Verleger? Medizinischer Bademeister? Finanzminister? Ich weiß nicht.
    Jedenfalls verfügt mein Sohn über einen erfreulich ausgeprägten Erwerbssinn. Erst kürzlich traten wir in Verhandlungen über Taschengeld ein. Bisher hat Luis kein Taschengeld bekommen, nun geht er zur Schule – da sollte er eines erhalten, fand ich. Und er fand es auch. »Wir geben dir einen Euro pro Woche«, sagte ich.
    »Nein, ich will fünf Euro pro Monat«, sagte Luis.
    »Das ist ungefähr genau dasselbe«, sagte ich, »bloß, dass du dann die ganzen fünf Euro gleich am Anfang des Monats ausgibst und den Rest der Zeit kein Geld mehr hast. Und dann wirst du immer außer der Reihe Geld haben wollen.«
    »Ja«, sagte Luis.
    »Aber das finde ich nicht gut«, sagte ich.
    »Dann gibst du mir halt fünf Euro im Monat und einen Euro pro Woche«, sagte Luis.
    So ging das. Wir konnten uns nicht einigen. Verhandlungen mit Luis sind immer äußerst schwierig und langwierig.
    Aber auch ohne Taschengeld hat Luis sein Auskommen. Wenn wir zum Beispiel Besuch haben und um den Küchentisch sitzen, kommt unter Garantie bald der Luis herein, legt sich eine Serviette über den Arm, holt ein Schreibheft und sagt, er sei nun der Kellner – was man denn zu bestellen wünsche. Jemand bestellt ein Bier, da notiert Luis »1 Bir«, ein anderer bestellt »auch ein Bier«, da notiert Luis »auch 1 Bir«. Dann bringt er das Gewünschte und rückt sofort mit einer großen Tengelmann-Plastiktüte an, in die jeder das Geld für sein Bier werfen soll.
    Jeden Euro setzt er sofort zum Kauf von Donald-Duck-Heften ein. Luis liest dermaßen viele Donald-Duck-Hefte, dass man allmählich befürchten muss, er verlasse diese Welt und werde selbst zu einer Comicfigur.
    Zum Beispiel tut er nichts mehr, ohne ein Geräusch dazu zu machen. Läuft er von der Küche über den Flur in sein Zimmer, macht er »Sssssst…«. Löffelt er Corn-Flakes aus seinem Schüsselchen, ruft er: »Ham! Ham!« Und wenn
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