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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken
Autoren: Kingsley Amis
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ich hätte dich natürlich abgewiesen.«
    »Meiner Mutter wird das nicht gefallen.«
    »Nur mein Mann wird den Unterschied bemerken.«
    »Na gut.« Nicht dessentwegen, was sie gerade vorgeschlagen hatte, sondern aus allgemeinen Gründen fügte er hinzu: »Du bist ein süßes Mädchen. Du hast mich dir zum Dank verpflichtet.«
    Als er sie küßte, reagierte sie nicht, sondern sagte in ihrer monotonen rauhen Stimme: »Das ist außerordentlich nett von dir.«
    Er war sich keineswegs dahingehend schlüssig geworden, daß sie ein süßes Mädchen sei; aber sie hatte getan, was er gewollt hatte, gelinde ausgedrückt, er hatte sein Vergnügen daran gehabt, und nun, da sie am Fuß der Stufen angelangt waren, die sie vor einer unbekannten Zeitspanne heruntergekommen waren, mußte dies ihr Abschied sein. Beim Ersteigen der Stufen blickte er über den mondbeschienenen Park hin, den Teich, den schwachen Schimmer des Sees in der Ferne, und wünschte mit einiger Inbrunst, daß er das Schloß und den Park hätte sehen könne, wie sie in ihrer Glanzzeit gewesen waren, zu Lebzeiten jenes anderen Alexander. Am Portal angelangt, sah er sich wieder um und begriff, daß das, was soeben stattgefunden hatte, hier oben für jeden Beobachter deutlich sichtbar und zweifellos auch hörbar gewesen war. Nun, wenn die nächsten paar Minuten sicher überstanden wären, würde ihm Zeit genug bleiben, sich klarzuwerden, ob die Frau ein süßes Mädchen war oder etwas anderes.
    Der Wiedereintritt der Frau des stellvertretenden Direktors und seiner selbst in den Salon fiel auf einen ungewöhnlich glücklichen Augenblick. Die Kartenspieler befanden sich in einem Zustand erregter Spielleidenschaft, da Frau Tabidze im Begriff war, die Trumpffarbe für das nächste Spiel anzusagen; obwohl die Einsätze nicht hoch waren (100 Pfund für einen Punkt), war sogar Korotschenko so sehr in das Spiel vertieft, daß er nur kurz aufblickte. In ähnlicher Weise unterhielt Theodor Markow die Damen mit einer Geschichte über die Unterschlagungen, deren sich der Kassier an seiner Universität schuldig gemacht hatte. Alexander schlenderte zu dem Marmortisch, wo der Wein stand, schenkte sich ein Glas voll und knabberte an einem Hühnersandwich. Er hätte gesagt, daß es keine Notwendigkeit gebe, zwangloses Benehmen zu heucheln, weil er sich völlig ungezwungen fühlte: es wäre sicherlich ziemlich einfältig, sich einzubilden, daß dort draußen auf dem Rasen etwas besonders Ungewöhnliches geschehen sei; es war nichts weiter als das Zusammentreffen eines stattlichen, gesunden jungen Mannes mit einer – nun, es mußte eine ganze Menge Frauen wie Frau Korotschenko geben, und man konnte kaum erwarten, daß sie für ihren Zustand, oder vielmehr die Offenheit ihrer Natur Reklame machten.
    Er aß das belegte Brot, trug sein Weinglas zum Kartentisch, wo die Spieler ihre neu verteilten Karten auf ihre Möglichkeiten prüften, und schaute seinem Vater über die Schulter, übrigens ohne etwas zu verstehen, denn er verabscheute das Spiel zu sehr, als daß er jemals die Regeln hätte lernen mögen. Vor Frau Tabidze lag ein ansehnlicher Haufen Münzen zu 100 Pfund und 500 Pfund und Banknoten zu 1000 Pfund. Korotschenko hob sein schnurrbärtiges Gesicht in konzentrierter Berechnung und streifte Alexander mit einem geistesabwesenden, völlig neutralen Blick.
    »Ich fürchte, ihr Herren seid für eine weitere Tracht Prügel fällig«, sagte Frau Tabidze siegesgewiß. »Misere.«
    Ihr Gemahl ächzte. »Schulter an Schulter, Freunde.«
    Verstohlen musterte Alexander die übrigen Teilnehmer der Abendgesellschaft. Seine Mutter hatte die Stickerei in den Schoß sinken lassen und sprach mit gedämpfter Stimme zu Frau Korotschenko, die tatsächlich zu reagieren oder zumindest zuzuhören schien. Das Gespräch der anderen schien momentan ins Stocken gekommen; als sein Blick sie erreichte, sah Elizabeth ihn bereits an, und innerhalb einer Sekunde sah er sich auch von Nina fixiert. Dann schauten sie einander an. Ihre Mienen waren gleich, obwohl er nicht hätte sagen können, was sie ausdrückten. Unter anderen Umständen wäre er hinübergegangen und hätte sie gefragt, aber nicht unter diesen. Er beschloß die Sache durchzustehen, wo er war, eine Politik, die allerdings ihr Ende fand, als Nina sich zur Seite beugte und sagte: »Dürfen wir hinaufgehen, Mama?« – eine Formel, die eine vorübergehende Beurlaubung der jüngeren Gäste und Mitglieder des Haushaltes erbat und stets Erfolg hatte.
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