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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz
Autoren: Astrid Fritz
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Gottes wie alle hier. Und jetzt solltet Ihr vielleicht Eures Amtes walten und die arme Seele dort vom Strick schneiden.»
    Verdutzt sah der Büttel zwischen ihr und dem Ratsherrn hin und her, bis dieser nickte. «Da drüben im Gestrüpp liegen lose Balken. Das sollte reichen, um an das Seil zu kommen.»
    Wenig später hatte der Büttel mit Hilfe des Wundarztes den Leichnam abgenommen und auf einen der Balken gelegt. Serafina hatte dem Ganzen aufmerksam zugesehen.
    «Tod durch den Strang. Eindeutig Freitod», bescheinigte Meister Henslin dem Ratsherrn. «Da wird ihm das Bußzeichen auf der Stirn auch nichts nützen.»
    «Gut. So werden wir es später schriftlich festhalten lassen. Bringen wir ihn jetzt nach Hause», sagte Nidank. «Und Ihr, Schwester, begleitet uns. Um den armen Eltern seelischen Beistand zu leisten. – Einen Pfarrer werden wir für diesen Gottlosen wohl kaum finden.»
    Da diese Aufforderung nach einem amtlichen Befehl klang, wagte Serafina keine Widerworte.
    Sie nickte. «Gehen wir.»
    Es war eine seltsame Prozession, die da von der alten Scheune hinüber in die nahe Salzgasse zog. Vorweg der Büttel mit seinem Stock, unentwegt «Aus dem Weg!» brüllend, hinter ihm Meister Henslin und der alte Taglöhner, die auf einem Brett den toten Hannes Pfefferkorn trugen, gefolgt von Ratsherr Nidank mit vorgerecktem Kinn und einer in Gedanken versunkenen Serafina. Schließlich die Meute der Schaulustigen, die binnen kurzem zu einem dichten Strom anschwoll. Von Barnabas war weit und breit nichts mehr zu sehen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 3
    D as verzweifelte Schluchzen von Walburga Wagnerin, Pfefferkorns ehelicher Frau, wollte kein Ende nehmen, als der Leichnam ihres Sohnes in der Stube aufgebahrt lag. Immer wieder zog Serafina die kleine, zarte Frau tröstend in die Arme, versuchte vergebens, mit ihr Gebete zur Heiligen Mutter Maria zu sprechen.
    Kurz zuvor hatte sie in der Kammer nebenan mit Hilfe der Hausmagd den Toten entkleidet, gewaschen und hergerichtet. Das hatte sie einige Überwindung gekostet. Ganz anders als bei einem soeben erst Verstorbenen war der Körper schon mit Leichenflecken bedeckt und weitgehend erstarrt, an den Beinen klebten die abgegangenen Exkremente wie eine Kruste, das dunkle Haar am Hinterkopf war blutverschmiert. Es war kein schöner Anblick gewesen. Erst nachdem sie dem gereinigten Leichnam das Totenhemd übergestreift und ihn in die Wohnstube gebracht hatten, war es Serafina ein klein wenig leichter ums Herz geworden.
    Dafür galt es jetzt, der erschütterten Mutter und ihren beiden Töchtern in ihrem unsagbaren Schmerz beizustehen. Zumindest bis der Hausherr zurück war. Kaufmann Magnus Pfefferkorn hielt sich nämlich in Waldkirch in Geschäften auf, doch ein reitender Bote war bereits dorthin unterwegs. Derweil wartete Ratsherr Nidank ungeduldig auf den Gerichtsschreiber, um das Urteil des Wundarztes schwarz auf weiß festzuschreiben und damit das Schicksal des jungen Pfefferkorn zu besiegeln.
    Serafina wusste, dass das allgemeine Entsetzen über diesen Selbstmord das Leid um einen allzu frühen Tod bei weitem überstieg. Niemals würde die Seele nach einer solchen Sünde die Gnade erfahren, Gottes Angesicht zu schauen, da halfen auch alle Bußgebete und Fürbitten der Angehörigen nichts. Stattdessen war dem Frevler der ewige Höllenpfuhl gewiss. Zumindest die Kirche predigte solcherlei Zeugs.
    So würde auch kein Totengeläut den Freiburgern verkünden, dass einer aus ihrer Mitte verstorben war, niemand würde zum Abschiednehmen kommen, kein Priester dem Toten die Absolution erteilen, den Leichnam mit Weihwasser besprengen und zur Kirche geleiten. Statt feierlicher Totenmesse und christlichem Begräbnis stand dem armen Jungen nun als letzter Gang in dieser Welt der Weg zum Schindanger draußen am Fluss bevor, wo ihn der Abdecker in ungeweihter Erde verscharren würde, neben Tierkadavern und Ehrlosen. Und auf dem überaus vornehmen Haus Zur Leiter würde fortan der Schatten der Schande lasten.
    Serafina hatte Mühe, ihre eigene Betroffenheit zu verbergen. Sie konnte den Blick nicht lösen von dem Jungen, der da auf dem Boden inmitten der Stube lag. Auf seinem schmalen Gesicht lag nicht der Ausdruck von Erleichterung und Frieden, wie er nach dem Todeskampf meist zu finden war. Vielmehr schienen seine Züge in Angst erstarrt.
    In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen, und ein junger Mann stürmte herein, kräftig und mit breiten Schultern, gewandet wie ein eitler
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