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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz
Autoren: Astrid Fritz
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vorbeischlendern sah. Sie hielten kurz inne, einer von ihnen starrte entsetzt oder auch nur neugierig zu ihnen herüber. Mit hastigen Bewegungen winkte Serafina die Brüder heran, doch die setzten nach einem kurzen Zögern ihren Weg fort. Schöne Mönche waren das! Sie schnaubte empört.
    Da trat ein älterer Taglöhner vor. «Mein Sohn ist schon auf dem Weg ins Rathaus, Schwester. Es wird also alles seinen rechten Weg gehen.»
    «Was hat uns dieser verfluchte Erzbösewicht bloß angetan?», hörte sie hinter sich eine Weiberstimme lauthals lamentieren. «Wegen seiner Schandtat ist gestern Abend das böse Wetter über uns gekommen. Mein ganzes Gemüse hat es zerschlagen.»
    «Dann müsste der Junge sich ja
vor
dem Gewittersturm erhängt haben, am helllichten Tage und vor aller Augen», gab Serafina der Frau trocken zu verstehen. «Und das glaubst du wohl selbst nicht.»
    Barnabas, der sich immer noch dicht neben ihr hielt, nickte heftig. Er zitterte nicht mehr, aber sein schiefes Gesicht mit den aufgeworfenen Lippen war noch immer blass und ließ seine abstehenden Ohren röter denn je erscheinen.
    «Das Auge muss zu», flüsterte er und deutete zuerst auf den Leichnam, dann gegen seine eigene Brust.
    Serafina verstand und hob den Zwerg in die Höhe. Sie war erstaunt, wie schwer der kleinwüchsige Mann war. Sofort wich die Menge mit einem Aufschrei noch weiter zurück, während Barnabas vergeblich versuchte, dem Toten die Lider herunterzustreifen. Der Junge musste also schon einige Zeit dort oben hängen.
    Als sie Barnabas wieder absetzte, sah sie im Schatten des Leichnams etwas auf dem Boden schimmern. Sie bückte sich und klaubte drei Silbermünzen aus dem schlammigen Grund.
    «Nicht doch!», zischte der Taglöhner. «Die sind des Teufels!»
    «Ich sag’s ja – da kreisen schon die Rabenvögel über uns», rief ein anderer.
    Und wirklich zog eine riesige Schar Krähen über die Stadt hinweg.
    Serafina schüttelte nur den Kopf und steckte die Rappenpfennige in ihre Rocktasche.
    «Wer ist der Tote eigentlich?», wollte sie von Barnabas wissen.
    «Der feine Hans mit dem weichen Herzen», antwortete der mit seiner heiseren Kinderstimme. Offenkundig hatte er die Sprache wiedergefunden.
    «Wer?»
    «Er meint Hannes, den Sohn von Kaufmann Pfefferkorn», mischte sich der Taglöhner wieder ein.
    «Sag ich doch.» Barnabas schürzte trotzig die Lippen.
    In diesem Augenblick ertönten von der Gasse her herrische Befehle. «Weg da! Auseinander! Aber zack, zack!»
    Es war der Büttel, der sich mit seinem Stock den Weg bahnte. Im Schlepptau führte er zwei Männer mit sich. In einem von ihnen erkannte Serafina Meister Henslin, seines Zeichens geschworener Wundarzt der Stadt. Ihm war sie gleich in der ersten Woche begegnet, als Grethe von der Leiter gestürzt war und sich den Arm ausgerenkt hatte. Der gutmütige Mann war zwar äußerst geschickt mit den Händen, schien ihr aber nicht allzu helle im Kopf zu sein.
    Der zweite Begleiter des Büttels war schlank und hochgewachsen, ansehnlich trotz seines fortgeschrittenen Alters. Seine Tracht, ein knielanger, dunkelroter Tappert mit Pelzbesatz, unter dem eine schwere Silberkette hervorblitzte, sowie das schwarze Samtbirett auf dem angegrauten Haar wiesen ihn als einen hohen Herrn des Stadtrats aus. Jetzt allerdings sah er aus, als habe man ihn gradwegs aus dem Bett geholt mit seinen vom Schlaf verquollenen Augen.
    Der Anblick des Gehenkten schien ihn mit einem Schlag wach zu rütteln. «Allmächtiger steh mir bei! Der junge Hannes Pfefferkorn!»
    Er bekreuzigte sich hastig, wobei sein Blick auf Serafina fiel. Sie und Barnabas waren als Einzige vor den Neuankömmlingen nicht zurückgewichen.
    «Wer seid Ihr? Gehört Ihr ins Regelhaus Zum Lämmlein?»
    «Nein, zu den Christoffelschwestern. Schwester Serafina ist mein Name. – Und wer seid Ihr, werter Herr?», fragte sie keck zurück. Gleich darauf biss sie sich auf die Lippen. Wieder einmal hatte sie vergessen, dass sie sich als Schwester mehr in Demut und Zurückhaltung üben sollte.
    «Ratsherr Nidank», gab der Mann denn auch mit verkniffener Miene zurück. In diesem Moment versetzte der Büttel dem Bettelzwerg einen Stockschlag ins Kreuz. Barnabas stieß ein lautes Heulen aus, wobei er angstvoll die Augen verdrehte, und trollte sich eilends davon.
    «Was soll das?», fuhr Serafina den Büttel an.
    «Dieser Unsinnige hat bei hohen Herren nix zu suchen.»
    «Dieser Unsinnige, wie Ihr Barnabas nennt, ist gerade so ein Geschöpf
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