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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz
Autoren: Astrid Fritz
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Niemals würde mein Hannes so etwas tun. Niemals!»
    «Mutter!» Mit einem Satz war Diebold bei ihr. «Komm zur Vernunft. Wie sonst soll das geschehen sein?»
    Verdutzt betrachtete Serafina die Pfefferkornin und trat dann entschlossen vor den Wundarzt.
    «Bevor Ihr und der Ratsherr Eure Namen unter das Schriftstück setzt, bitte ich Euch inständig, noch einmal nachzudenken. Nehmt die Worte der Hausherrin ernst. Eine Mutter hat ein Gespür für ihr Kind.» Sie sah Meister Henslin durchdringend an. «Wie erklärt Ihr Euch beispielsweise den blutigen Schädel des Jungen? Mag es nicht sein, dass jemand den armen Hannes hinterrücks erschlagen hat und dann erst aufgeknüpft? Und ihm, als Gipfel der Dreistigkeit, auch noch mit einem Aschenkreuz die Stirn gezeichnet hat?»
    Ehe der reichlich verdatterte Wundarzt etwas erwidern konnte, fuhr Nidank dazwischen.
    «Was maßt Ihr Euch an, Begine?» Seine Unterlippe zitterte empört. «Ihr vermeint also wahrhaftig, die Wundarznei besser zu verstehen als Meister Henslin?»
    «Ganz und gar nicht, Ratsherr», gab sie ruhig zurück. «Ich suche nur nach einer Erklärung für die tiefe Wunde am Kopf des Toten.»
    Der Wundarzt hatte sich wieder gefangen. «Nun – dafür könnte es schon eine Erklärung geben. Der Junge ist von innen am Scheunentor hochgeklettert, hat dort das Seil befestigt und sich dann in die Tiefe gestürzt. Dabei ist der Körper in heftiges Pendeln geraten und der Kopf gegen den Seitenpfeiler des Tors geschlagen.»
    «Mit einer solchen Wucht? Ihr selbst habt die Wunde doch sicherlich genau ertastet?»
    «Was soll das? Was mischt Ihr Euch ein?», brauste nun auch Diebold auf. «Hannes hatte sehr wohl Gründe, den Strick zu nehmen. Meiner Braut ist er nämlich nachgestiegen, war zu Tode verliebt in sie und deshalb kreuzunglücklich.»
    «Da habt Ihr’s!» Mit einer herrischen Geste wies Ratsherr Nidank auf die Pfefferkornin, die zusammengekauert auf dem Boden hockte und vor sich hin wimmerte. «Kümmert Euch jetzt lieber um die arme Mutter. Ihr seid zum Beten hier und nicht, um uns in die Kur zu pfuschen.»
     
    Einige Stunden später, nach dem Abendläuten, kehrte Serafina erneut ins Haus Zur Leiter zurück. Der Gang fiel ihr schwer. So viel Schmerz und Verzweiflung hatte sich von heut auf morgen in diesem herrschaftlichen Bürgerhaus eingenistet. So gut es ging, hatte sie versucht, der armen Mutter und den beiden verstörten Mädchen Halt zu geben, und ihr war erst leichter ums Herz geworden, als am frühen Nachmittag endlich der Hausvater aus Waldkirch zurückgekehrt war. Doch dessen Verhalten hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Vor Entsetzen über die Tat seines Sohnes war er in einen lautstarken Wutanfall ausgebrochen. Genau wie Diebold hatte er den Leichnam gar nicht erst sehen wollen, hatte sogar befohlen, die Totenbahre in eine der schäbigen Schlafkammern unterm Dach zu schaffen.
    Auch Reichtum schützt vor Unglück nicht, dachte Serafina, als sie jetzt durch die vornehme Salzgasse marschierte. Hier war die Straße mit Wackersteinen gepflastert und fein säuberlich gekehrt, hier hatten Ritter, Kaufleute und angestammte Geschlechter ihren Wohnsitz. Oder auch die Augustiner-Eremiten, die genau gegenüber Pfefferkorns Haus ihr Kloster hatten.
    Serafina warf einen Seitenblick auf ihre Mitschwester Heiltrud, die ihr die Meisterin zur Unterstützung mitgeschickt hatte und die jetzt schweigend neben ihr herstapfte. Sie war sehr froh, dass sie die kommende Nacht nicht allein mit dieser bedauernswerten Familie verbringen musste. Dafür nahm sie sogar Heiltruds übellauniges Wesen in Kauf.
    Immerhin fühlte sie sich wieder bei Kräften. Mutter Catharina hatte sie nämlich am Nachmittag von der üblichen Arbeit befreit und ihr erlaubt, vor der Nachtwache noch ein wenig auszuruhen. Von ihr hatte Serafina denn auch einiges über Hannes’ Familie erfahren. Dessen Großvater hatte sich, wie der Name schon andeutete, vom kleinen Wanderkrämer in Gewürzen zum angesehenen Kaufmann hochgearbeitet. Zunächst hatte es ausgesehen, als würde Diebold dereinst das Handelshaus, das inzwischen hauptsächlich Salz und Wein vertrieb, übernehmen. Dann aber hatte sich überraschend eine Verbindung zwischen ihm und Josefa Wisslanderin angebahnt. Die Wisslanders waren Fernhandelskaufleute, durch Tuchhandel reich geworden und in den Ritterstand erhoben. Da Josefas Mutter nur Töchter geboren hatte, war man froh um einen jungen Kaufmann als Nachfolger.
    «Damit war klar», hatte
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