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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab
Autoren: Helmut Vorndran
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Schließlich stand Gabi Haier direkt
neben dem Umweltminister, also nicht weit von Haderlein entfernt.
    »Tja, Frau Staatssekretärin«, meinte der Hauptkommissar bedauernd.
»Wo die Liebe hinfällt, nicht wahr? Aber dass Sie sich in puncto Gefühlen
gerade für dieses missratene Subjekt entschieden haben, das hätte Ihnen doch
irgendwann zu denken geben müssen.« Haderlein blickte Schleycher scharf an, der
inzwischen geistesabwesend aus dem Fenster starrte.
    »Sie werden Ihrer großen Liebe nun leider in die Einsamkeit einer
Vollzugsanstalt folgen müssen, Frau Haier.«
    Schweigend und regungslos nahm Gabi Haier die Tatsache zur Kenntnis.
Selbst jetzt suchte sie mit ihren Fingern die Hand des Umweltministers, der
nicht mehr die Kraft hatte, sich dagegen zu wehren. Ministerpräsident Kohlhuber
und der Rest seiner Gäste standen wie betäubt im Raum und konnten nicht
glauben, was sie da sahen und hörten.
    Doch Haderlein hatte noch mehr zu sagen. Mit nachdenklichem Blick
trat er wieder zurück in die Saalmitte. »Und nun bleibt die letzte aller Fragen
zu klären: Wer hat einen der gefährlichsten Killer, den die Welt je gesehen
hat, gedungen, um einen unschuldigen Teil der Abschlussklasse des Ottonianums
von 1974 über dreißig Jahre später umbringen zu lassen? Wer ist dieser Mensch,
was hatte er zu verlieren? Wo liegt das Motiv? Wir haben einen DNA -Test durchführen lassen, und bis vor
wenigen Stunden hatte ich wirklich Sie im Verdacht, Herr Umweltminister.«
Kolonat Schleycher blickte ihn aus hohlen Augen an. »Doch der genetische
Fingerabdruck ist eindeutig. Kolonat Schleycher ist nicht identisch mit dem
Auftraggeber des Killers Nikolai Dassajew. Der Test liefert ein anderes
Ergebnis. Er zeigt uns, dass der Mann, der den Auftrag zu einer beispiellosen
Mordserie gegeben hat, direkt mit Ihnen verwandt ist, Herr Umweltminister.«
    In Schleychers Augen regte sich jetzt Verständnislosigkeit. »Wie …
verwandt?«, fragte er mit leiser Stimme, die die Verzweiflung erahnen ließ,
unter der er litt.
    »Sie wollen wissen, wer Ihr Verwandter ist?«, hakte Haderlein nach.
Doch Schleycher war nicht mehr fähig, einen logischen Gedanken zu fassen. Der
Hauptkommissar ließ ihn stehen und ging zum anderen Ende des Saales, wo er vor
Altbischof Griebel stehen blieb. »Na, wollen Sie Ihrem Sohn nicht reinen Wein
einschenken, Herr Bischof?«, fragte Haderlein und schaute ihm ruhig und tief in
die Augen.
    »Sie sind ja verrückt!«, empörte sich Griebel in einem Ton, aus dem
jede Freundlichkeit gewichen war. Haderlein schaute ihn an, schwieg und
wartete.
    »Sie sind ja völlig verrückt!«, schrie der alte Bischof plötzlich
panisch und wollte einen Schritt zurückweichen. Doch Haderlein hielt ihn auf
und schob ruckartig den linken Ärmel seiner Jacke nach hinten. Ein
blutverkrusteter Unterarm kam zum Vorschein. Griebel versuchte zwar noch, den
Stoff wieder zurückzuschieben, aber Haderlein hielt ihn wie im Schraubstock
fest und zog ihn quer durch den Saal zu seinem Sohn. Schleycher war bleich
geworden.
    »Vater?«, presste er ungläubig hervor, während er Altbischof Griebel
mit feuchten Augen ansah.
    »Ja, Ihr Vater!«, klärte Haderlein unerbittlich auf. »Ihr Vater, der
Sie irgendwann, irgendwo mit Ihrer Mutter gezeugt hat. Aber die katholische
Kirche duldet eben keine Kinder bei den Protagonisten des Zölibats. Egal auf
welcher Ebene. Deswegen beschloss Ihr Vater, Sie zu verleugnen. Er hat Sie
verleugnet, aber immer die ›schützende‹ Hand über Sie gehalten. Er hat Sie nach
Bamberg ans Ottonianum geholt und im Kloster Kreuzberg unter ahnungslosen
Franziskanern versteckt, als die Sache mit Peter Nickles aus dem Ruder lief. Er
hat auch versucht, Sie jetzt zu schützen, als Sie im Begriff waren, alles wegen
eines kleinen Buchs zu verlieren, das die Wahrheit über Ihre perverse
Vergangenheit im Ottonianum ans Tageslicht bringen konnte. Dass niemand das
Buch wirklich besaß, konnte er nicht wissen, weshalb Ihr Vater beschloss, auf
Nummer sicher zu gehen und einfach alle Mitwisser zu beseitigen. Denn er wollte
seinen Sohn beschützen. Den Sohn, der nicht wusste, dass er seinen Vater schon
immer kannte.«
    Umweltminister Schleycher schaute Griebel an, fiel auf die Knie und
brach in Tränen aus. Gabi Haier kniete sich neben ihn und versuchte ihn in
seiner Fassungslosigkeit zu trösten.
    Haderlein streckte die Hand aus. »Das Buch«, forderte er von
Altbischof Griebel, doch der machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Sein
Blick
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