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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne
Autoren: Michael Marrak
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ihren Kopf und weinte sich leise in den Schlaf.

 
22  Ein Leben für ein Leben
     
     
    Mira wusste nicht, ob es ein verdächtiges Geräusch gewesen war, das sie geweckt hatte, oder der eigenartige Lichtschein, den sie durch die geschlossenen Augenlider wahrnahm. Zuerst versuchte sie ihn einfach zu ignorieren, doch je länger sie reglos dalag, desto intensiver wurde er. Als sie schließlich die Augen aufschlug, um der geheimnisvollen Lichtquelle auf den Grund zu gehen, blieb ihr fast das Herz stehen: Über ihr schwebte ein riesiges, gehörntes Gesicht und betrachtete sie aus rot glimmenden Augen.
    »Jadamon!«, flüsterte Mira.
    »Entschuldige, Wüstenkind.« Der Kopf des Orakels ging wieder etwas auf Abstand. »Ich hatte nicht die Absicht, dich zu erschrecken.«
    »Das ist dir ja wirklich prima gelungen!« Mira setzte sich zitternd auf und wischte sich den Schlaf aus den Augen, dann warf sie einen Blick in Richtung Jiril.
    »Keine Sorge, er kann uns nicht hören«, beruhigte sie Jadamon. »Ich habe zum Glück nicht alle Tricks verlernt.«
    »Wo ist denn der, äh … Rest von dir?«
    »Im Ammonion, wo er hingehört«, erklärte das Orakel. »Ich bin nicht physisch hier. Was du siehst, ist mein Ushura. Ihr Menschen nennt es glaube ich Astralkörper.«
    Mira hob die linke Hand, um Jadamons Kopf zu berühren, doch ihre Finger glitten durch die Erscheinung hindurch, ohne auf Widerstand zu stoßen. Lediglich ein leichtes Prickeln war auf ihrer Haut zu spüren.
    »Was machst du hier?«, wunderte sie sich.
    »Nachsehen, wie es dir geht«, erklärte das Orakel. »Hast du Schmerzen?« Mira hob die Schultern. »Tut mir leid. Hätte ich voraussehen können, dass dies geschieht, hätte ich euch niemals den Schleichweg durch die Flutstollen verraten. Doch selbst in einem so kleinen Habitat wie Darabar – oder besser gesagt: unter Darabar – geschehen Dinge, die sich bisweilen meiner Kenntnis entziehen. Nebethaum ist da ein Paradebeispiel. Lebensbäume lassen sich von Natur aus nicht gerne in die Karten schauen und über ihre Wurzeln hüllen wir besser den Mantel des Schweigens.«
    »Woher weißt du überhaupt, was passiert ist?«, wunderte sich Mira.
    »Ich habe meine Informanten«, erklärte Jadamon. »Der Rest ist Berufsgeheimnis … Miranda.«
    Mira zuckte zusammen. »Nenn mich bitte nicht so«, bat sie. »Einfach nur stehen ›Mira‹.«
    »Warum? Miranda ist ein sehr schöner Name.«
    »Ich mag ihn eben nicht, okay?«
    »Weil dir nie jemand gesagt hat, was er wirklich bedeutet.«
    Das Mädchen setzte zu einer Erwiderung an, besann sich dann jedoch eines Besseren. Mit einem Orakel zu streiten, das auf alle elementaren Fragen eine Antwort wusste und zu allem Überfluss auch noch Gedanken lesen konnte, gehörte wahrscheinlich zu den unsinnigsten Dingen der Welt.
    »Das ist wohl wahr«, bestätigte Jadamon ihre Gedanken. »Und deswegen bist du auch nicht hergekommen.«
    »Verdammt, das ist nicht fair!«, beschwerte sich Mira und sprang erbost auf. »Ich schnüffle doch auch nicht in deinem Kopf herum!« Mit grimmigem Gesicht stapfte sie vor dem riesenhaften Gesicht des Orakels auf und ab. Doch ihre Wut über die telepathische Schnüffelei verrauchte genauso schnell wieder, wie sie aufgekommen war. Inzwischen war Mira viel zu müde, um sich mit einem Wesen zu streiten, das womöglich älter war als die Stadt, der es diente. Schließlich ließ sie sich erschöpft in einen der Sessel sinken und sah mit leerem Blick zu Boden.
    Eine Weile lang saß sie schweigend da, dann sagte sie kaum hörbar: »Bausch hat gesagt, Miranda sei irgend so ein blöder Mond …«
    »Ein Mond des Planeten Uranus«, bestätigte das Orakel. »Aber mit dem hast du weder etwas gemein noch er mit der Bedeutung deines Namens. Es sei denn, du bestündest ebenfalls aus Eis, Silikaten und Methan.«
    Das Mädchen zog das Kinn an die Brust. »Und sonst?«
    »Na, schau an«, bemerkte Jadamon. »Neugierig sind wir also trotzdem.« Mira schnitt eine Grimasse. »Dein Name entstammt dem lateinischen Wort mirandus«, erklärte es. »Es bedeutet ›wunderbar‹. Die alten Römer machten daraus Miranda, ›die Bewundernswerte‹ …«
    Mira schwieg eine lange Zeit und sagte dann leise: »Ich kenne nur einen, der uns Betas bewundert, und das ist Ben. Für alle anderen sind wir nur Mutationen, die keine Existenzberechtigung besitzen.«
    »Oh«, machte das Orakel. »Es wird dich vielleicht überraschen, aber genau das Gegenteil ist der Fall.«
    Mira sah auf. »Wie meinst
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