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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6
Autoren: Clive Barker
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Stimme) übertönte ihre knirschenden Schritte auf der gefrorenen Erde.
    Als sie die Absperrung überwunden hatte und sich in dem verbotenen Gelände dahinter befand, war sie nicht mehr so zögerlich. Sie überquerte hastig den gefrorenen Boden (dessen gepflügte Furchen wie Beton waren) und betrat den Windschatten der Kirche. Der Scheinwerfer war grell; in seinem Licht wirkte ihr Atem so körperhaft wie gestern der Rauch.
    Hinter ihr murmelte die Musik für Liebende weiter. Niemand kam aus der Hütte, um ihr Eindringen zu verhindern. Keine Alarmglocken ertönten. Sie erreichte ohne Zwischenfälle den Rand des Segeltuchvorhangs und spähte dahinter.
    Die Abrißarbeiter hatten, gemäß der detaillierten Anweisungen, wie man anhand ihrer sorgfältigen Arbeit sehen konnte, ganze zweieinhalb Meter an der Seitenfassade von Allerheiligen hinabgegraben und die Fundamente freigelegt. Dabei hatten sie einen Eingang zur Grabkammer geöffnet, den frühere Arbeiter mit größter Mühe verborgen hatten. Nicht nur war Erde an der Kirchenmauer aufgeschichtet worden, um den Zugang zu verbergen, auch die Tür zur Krypta war entfernt worden, Steinmauern versiegelten die gesamte Öffnung. Dies war offensichtlich in großer Hast geschehen; die Arbeit war alles andere als ordentlich ausgeführt. Sie hatten den Eingang einfach mit allen Backsteinen und Geröllbrocken aufgefüllt, die zur Hand waren, und dann groben Mörtel über ihre Bemühungen geklatscht. In diesen Mörtel hatte ein Künstler ein eineinhalb Meter großes Kreuz gekratzt - das Muster freilich war durch die Aushebungen verdorben worden.
    Doch all ihre Bemühungen, die Krypta zu sichern, durch den Mörtel die Gottlosen fernzuhalten, waren vergebens gewesen.
    Das Siegel war aufgebrochen worden – der Mörtel abgeschlagen, Steine herausgerissen. In der Mitte der Tür befand sich jetzt ein schmales Loch, gerade groß genug, einer einzelnen Person Zutritt zu gewähren. Elaine zögerte nicht, den Hang hinab zu der aufgebrochenen Mauer zu klettern und sich dann hindurchzuzwängen.
    Sie hatte die Dunkelheit vorhergesehen, die sie auf der anderen Seite erwartete, und hatte ein Feuerzeug mitgebracht, das Mitch ihr vor drei Jahren geschenkt hatte. Sie ließ es aufflackern. Die Flamme war klein; sie drehte das Ventil auf und erkundete in der auflodernden Helligkeit den Raum, in dem sie sich befand. Sie war nicht in die Krypta selbst gelangt, sondern in einen kleinen Vorbau: Etwa einen Meter vor ihr war eine Mauer und eine zweite Tür. Diese war nicht zugemauert worden, aber in ihr massives Holz hatte man ebenfalls ein Kreuz geschnitzt. Sie ging auf diese Tür zu. Das Schloß war entfernt worden – wahrscheinlich von den Bauarbeitern –, die Tür selbst wieder mit einer Seilschlinge verschlossen. Das war rasch getan worden, von müden Fingern. Es fiel ihr nicht schwer, den Knoten zu lösen, aber es waren zwei Hände dazu erforderlich, daher mußte sie es in der Dunkelheit bewerkstelligen.
    Während sie den Knoten öffnete, hörte sie Stimmen. Die Polizisten – der Teufel sollte sie holen – hatten die Abgeschiedenheit ihrer Hütte verlassen und waren in die bitterkalte Nacht hinausgegangen, um ihren Rundgang zu machen. Sie ließ das Seil los und drückte sich an die Innenwand der Vorkammer.
    Die Stimmen der Beamten wurden lauter: Sie sprachen von ihren Kindern und der Kostenexplosion weihnachtlicher Freuden. Jetzt waren sie einen Meter vom Eingang zur Krypta entfernt und standen, so vermutete sie, im Schutz der Segeltuchbespannung. Aber sie unternahmen keinen Versuch, den Hang herunterzukommen, sondern beendeten ihre oberflächliche Inspektion am Rand der Vertiefung, dann kehrten sie um. Ihre Stimmen wurden leiser.
    Nachdem sie sicher war, daß sie sie weder hören noch sehen konnten, knipste sie die Flamme wieder an und sah sich die Tür an. Sie war groß und ungeheuer schwer; ihr erster Versuch, sie aufzuziehen, hatte wenig Erfolg. Sie versuchte es erneut, und diesmal bewegte sich die Tür knirschend über das Geröll auf dem Boden der Kammer. Als sie sich die erforderlichen Zentimeter geöffnet hatte, die Elaine brauchte, um sich hindurchzuzwängen, stellte sie ihre Anstrengungen ein. Das Feuerzeug flackerte, als wäre von drinnen ein Atemzug ausgestoßen worden; die Flamme brannte kurz nicht gelb, sondern elektrisch blau. Sie verweilte nicht, um sie zu bewundern, sondern schlüpfte in das versprochene Wunderland.
    Jetzt erhielt die Flamme Nahrung – wurde lebhaft –, und
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