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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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gescheut werden«, heißt es in der Anordnung des Geographical Office, »die Position zu verifizieren.« Selbst ein Zeitverlust von ein paar Tagen sollte kein Hinderungsgrund sein, um in »einer Serie chronometrischer Beobachtungen« den exakten Längengrad der kapverdischen Hauptstadt Porto Praya festzustellen.
    Anders als die Kenntnis der Breitengrade, die sich allein anhand himmlischer Konstellationen wie Sonnenstand, Sternen- und Planetenposition mithilfe von Karten, Tabellen und präzisen Messinstrumenten haargenau bestimmen lassen, hängt die Ermittlung der geografischen Länge entscheidend von der Exaktheit der mitgeführten Uhren ab. Beide Informationen zusammen gehören zu den unverzichtbaren Basisdaten, mit denen Seeleute in den Weiten der Ozeane ihren Standort berechnen und einsame Inseln ansteuern können, Tausende Kilometer von nichts umgeben als dem immer gleichen Auf und Ab gewaltiger Ozeane. Heute nutzen sie Satellitenortung.
    Der Standard für die Weltzeit, nach der die Beagle reist, wird an Greenwich, London, gemessen. Dort verläuft gemäß weltweiter Übereinstimmung der sogenannte Nullmeridian. Jeder Ort hat, je nach seiner Position auf dem Erdball, seine eigene Ortszeit bezogen auf Greenwich. Sie hängt vom Moment des jeweiligen Mittags ab, also davon, um wie viel früher oder später dort die Sonne im Zenit steht - ausgedrückt in Grad östlich oder westlich von Greenwich. Umgekehrt kann ein Kapitän auf hoher See, vereinfacht gesagt, durch das relativ simple Feststellen der Mittagsstunde mithilfe seiner Chronometer sehr genau die Position seines Schiffes in Längengraden bestimmen. Kapitän FitzRoy hat zum Vergleich zweiundzwanzig sorgfältig verpackte Präzisionschronometer in seine Kabine bringen lassen.
    Kanaren, Kapverden - den Seeleuten auf der Beagle ist es einerlei, wo sie das erste Mal den Fuß an Land setzen. Nur einer ist untröstlich. »Dies war eine große Enttäuschung für Mr Darwin, der die Hoffnung hegte, den Gipfel zu besuchen«, notiert FitzRoy. »Ihn zu sehen - zu ankern und auf dem Sprung sein, an Land zu gehen, und dann gezwungen werden, sich zu entfernen ohne die leiseste Aussicht, Teneriffa wieder zu erblicken -, bedeutete für ihn ein wahrhaft großes Unglück.«

    Die Insel wird auch »un pequeño continente« genannt, ein kleiner Kontinent mit allen Klimazonen, reichhaltiger Flora und Fauna, wie Darwin sie nur aus Büchern kennt, vor allem von Humboldt, der die vielen einheimischen Arten ebenso preist wie die einmalige Lavalandschaft im Hochland um den Teide. Wir haben vielleicht einen der interessantesten Orte auf der Welt verlassen, gerade in dem Moment, als wir nahe genug waren, dass jeder Gegenstand, ohne sie zu befriedigen, unsere äußerste Neugier weckte.
    Und dann fängt er an zu schreiben. Wie unter Zwang zur Ersatzhandlung schildert er aus der Ferne die Form der Hügel und Täler Teneriffas, beschreibt die Kirchen der Stadt und die Farbe ihrer Häuser, die Geschützreihen, über denen leuchtend die Fahne des spanischen Königreichs weht. Lange behalten sie die Insel achtern im Blick, bis schließlich nur noch die Spitze des Teide über den Horizont lugt.
    Doch der Geist spukt weiterhin in Darwins Kopf herum: Schon kann ich Humboldts Begeisterung für tropische Nächte verstehen . Sonnenuntergänge begeistern ihn, überschwänglich begrüßt er den Übertritt in die Tropen und vergleicht die frühsommerliche Witterung mit dem verregneten Elend in England. Eben so wie jeder Reisende in Urlaubsstimmung. Bei dem prächtigen Wetter hat sich sogar Darwins Seekrankheit verflüchtigt. Doch dann, am 10. Januar, passiert etwas, das wie eine Wendemarke seine Biografie in Vorher und Nachher teilt: Der Naturforscher in ihm bricht sich unweigerlich Bahn. Er wirft ein improvisiertes Netz aus Fahnentuch aus und lässt es hinter dem Schiff durchs Wasser gleiten. Am Abend holte ich eine Masse kleiner Tiere hoch, und morgen freue ich mich auf eine größere Ausbeute . Am nächsten Morgen nimmt er seine Beute in Augenschein und bestaunt den Reichtum der Farben und Formen. Es erzeugt ein Gefühl des Wunders, dass so viel Schönheit zu so einem geringen Zweck erschaffen worden sein soll .
    Wie immer er das in diesem Moment auch meint: Hier meldet er erstmals Zweifel an der Schöpfung an. Warum sollte Gott beim Bestücken der Natur mit Lebewesen so verschwenderisch verfahren sein?
    Am 16. Januar 1832 um elf Uhr nähert sich die Beagle St. Jago, heute São Tiago, der Hauptinsel des
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