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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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Gestalt, sondern auch in ihrer Lebensweise. Der häufigste Vogel ist ein Eisvogel (ALCEDO IAGOENIS), der zahm auf den Zweigen der Rizinusölpflanze hockt und sich von dort auf
Heuschrecken und Eidechsen stürzt . Auch wenn er den Vogel hier einer falschen Art zuschreibt - jede Kreatur hat neben ihrem Haben auch ein Sein, jeder Organismus verhält sich, bewegt und ernährt sich, kämpft, kommuniziert und pflanzt sich fort. Erst beide zusammen, Haben und Sein, ergeben ein umfassendes Bild.
    Darwin ermittelt die Nahrungsquellen einer Art der großen Meeresschnecke APLYSIA, bis heute ein beliebtes Forschungsobjekt der Nervenphysiologen. Dieser Hinterkiemer ernährt sich von dem feinen Seegras, das zwischen den Steinen im trüben und seichten Wasser wächst: Im Magen habe ich mehrere Steinchen gefunden, wie im Muskelmagen eines Vogels . Und wieder findet er einen Vergleich: Diese Schnecke stößt, wird sie gestört, eine sehr blasse violettrote Flüssigkeit aus, die das Wasser im Umkreis von einem Fuß verfärbt. Neben diesem Verteidigungsmittel verursacht ein scharfes Sekret eine scharfe, stechende Empfindung ähnlich jener, die von Physalia, also Portugiesischen Galeeren, erzeugt werden .
    Genau diese detaillierten Beobachtungen und Gegenüberstellungen werden ihm später helfen, die Entstehung der Arten zu begreifen: Oft sind es, wie bei den berühmten Finken auf Galápagos, unterschiedliche Verhaltensweisen, etwa bei Fortpflanzung oder Ernährung, die trotz nahezu identischem Äußeren eine Aufspaltung in separate Spezies einleiten.
    An den Korallen bewundert er deren erlesene Schönheit, gemessen an ihren unscheinbaren Verwandten in Schottland. Niemals in den wildesten Luftschlössern hatte ich mir einen so guten Bauplan vorstellen können. … Noch weniger hatte ich je erwartet, dass meine Hoffnungen, sie zu sehen, einmal in Erfüllung gehen würden.
     
    Korallen schlagen die Brücke zu jenem Gebiet, auf dem Darwin gleich bei seinem ersten Landgang eine Art wissenschaftlicher Initiation erlebt: Geologie ist zurzeit meine Hauptbeschäftigung. Dank seines Schnellkurses in den walisischen Bergen bringt er praktisches und dank eines bemerkenswerten Umstands auch fundiert theoretisches Vorwissen mit: Kapitän FitzRoy hat ihm als Willkommensgeschenk den druckfrischen Band 1 der »Geologischen Prinzipien« von Charles Lyell überreicht, des damals wohl berühmtesten Erdkundlers Englands, wenn nicht der Welt. Darwins Cambridger Mentor Henslow hat ihm die Lektüre wärmstens ans Herz gelegt, ihn aber gleichzeitig
davor gewarnt, »unter keinen Umständen die darin vertretenen Ansichten zu akzeptieren«.
    Darwin hat »seinen« Lyell bereits sorgfältig studiert, als er auf den Kapverden an Land geht. Binnen weniger Tage traut sich der Anfänger zu, die Geologie der Insel São Tiago in groben Zügen verstanden zu haben. Sein sicheres Gespür für die wahren Verhältnisse an der Erdoberfläche hat ihn von Anfang an auf den richtigen Weg durch das Labyrinth der Gesteine und ihrer Schichtungen geführt. Für den Geologen muss die erste Untersuchung vulkanischer Felsen ein denkwürdiger Zeitpunkt sein, und kaum weniger für den Naturforscher der erste Ausbruch von Bewunderung, Korallen auf ihrem Heimatfelsen wachsen zu sehen.
    Zu jener Zeit teilt sich die geologische Fachwelt in zwei Lager. Die »Katastrophisten« gehen davon aus, dass sich der Zustand des Planeten nur als Resultat gewaltiger Umwälzungen in der Vergangenheit erklären lässt - kataklystische, vermutlich von einer höheren Macht bewirkte Ereignisse wie die in der Bibel beschriebene »Sintflut«. Dieser Denkrichtung neigen Henslow und Adam Sedgwick zu, dem Darwin nach der gemeinsamen Exkursion in Wales letztlich die Mitfahrgelegenheit auf der Beagle zu verdanken hat. Sedgwick hat Henslow den Tipp gegeben, Darwin vorzuschlagen.
    Charles Lyell steht im Gegenlager aufseiten der »Gradualisten«. Nach denen bräuchte es, um das aktuelle Bild der Erde zu verstehen, weder göttlichen Einfluss noch zielgerichtet formende Mächte in der Vergangenheit, sondern allein dieselben Gestaltungskräfte der Natur mit Vulkanismus, Vergletscherungen, Erdbeben und Erosion, wie sie auch heute noch zu beobachten sind. Die Oberfläche des Globus sieht Lyell in ständiger Auf-und-ab-Bewegung wie ein unendlich langsames Schwappen, das die Kontinente und Inseln anhebt oder absenkt.
    Lyell gebührt wie keinem anderen das Verdienst, die Geologie erstmals als historische Wissenschaft etabliert
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