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Darling

Darling

Titel: Darling
Autoren: Hanna Hartmann
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Betrieb ging, würde der Platz hier endgültig umgestaltet werden und die historische Anlage Geschichte sein.
    Sollte Clara verdammt noch mal in ihrer bizarren Welt bleiben. Er würde jetzt über die Brücke da oben nach Hause gehen. Hier hatte er nichts mehr verloren.
    Irgendwie erinnerte ihn das alles an den Sommer 2004. Als das Antagon-Theater mit seiner Sommerwerft hier unten gastierte.
    Die unheimlichen Stelzenläufer des Performance-Theaters mit ihren „Schreie Niemandsland“ hatten ihn nachdenklich gestimmt. Aber auch „Time Out“, der verzweifelte Versuch, eine gigantische Zeitmaschine zu stoppen, hatte ihn ungemein fasziniert. Immer schneller rasten damals die Zeiger einer überdimensionalen Bahnhofsuhr über eine Gruppe Trommler, die immer schneller mit monoton dumpfen Schlägen eine Tänzerin zu ekstatischen Bewegungen antrieben, bis sie erschöpft auf dem Opfertisch zusammenbrach. Ihr Versuch, für einen Moment innezuhalten, das Bedürfnis, sich eine Auszeit zu nehmen, die Sehnsucht nach selbstbestimmter Zeit, war letztendlich zum Scheitern verurteilt. Und war es im realen Leben nicht genauso? Hatte er das in den vergangenen Jahren nicht immer wieder erfahren? Und war nicht die Flucht mit Clara der sinnlose Versuch, sich mit einer Illusion eine Auszeit von der Realität zu nehmen?
    Die Performance-Künstler der Sommerwerft waren in jenem Sommer nicht bei allen Beteiligten auf Begeisterung gestoßen. Insbesondere die nächtliche Zeltdisco hatte für heftige Konflikte mit den Anwohnern der Weseler Werft gesorgt. Man hatte sich schließlich mit dem Ordnungsamt geeinigt, nur mit drahtlosen Kopfhörern zu tanzen. Doch auch das rhythmische Scharren der Füße in der Stille der Nacht hatte vereinzelte Anwohner erbost.
    Adrian hatte es zutiefst verwundert, wie man in die Mitte einer pulsierenden Stadt ziehen konnte, um dann dort ein beschauliches Landleben einzuklagen. Nachdenklich schaute er über die dunklen Wellen des Mains. In der Ferne erklang ein Martinshorn.
    „Woran denken Sie?“
    „Ich hab’ hier schon mal in die Hölle gesehen“, antwortete Adrian gedankenverloren und schnippte den Zigarettenstummel über die meterhohe Kaimauer in den Fluss.
    Clara tippte ihm an die Stirn.
    „Sie sind wirklich ein merkwürdiger Kauz. Was Ihnen immer für ein Zeug durch den Kopf geht …“
    Adrian fühlte sich peinlich berührt. Warum machte sie sich wie Annika über ihn lustig?
    „Haben Sie schon mal die Feuerinstallation der Compagnie Doedel gesehen?“, fragte er trotzig. Clara schüttelte den Kopf.
    „Die Performancekünstler haben hier unten bei einer Sommerwerft des Antagon-Theaters gastiert und einfach alles abgefackelt. Glühende Konstruktionen aus Stahl, Tischen, Stühlen, Leitern und Feuerpfählen. Und inmitten dieses Infernos ein Berserker. So eine Art notorischer Pyromane, der in dieser martialischen Welt aus Rauch, Flammen und Hitze immer neue Brände um sich herum entfachte. Bis alles hoch zum Himmel loderte. So etwas lässt Sie nicht kalt. Er hat einfach alles, was die Truppe hier aufgetürmt hatte, angezündet. Eisen, Holz, Steine, und dann Brandbeschleuniger drauf. Mich hat das sehr fasziniert. Es war eine Reise in eine andere Welt. So muss das hier ausgesehen haben, als die Frankfurter Hafenanlagen von den Bomben der Alliierten in Schutt und Asche gelegt wurden. Die Compagnie hat damals hier eine Hölle entfesselt. Von einem solchen Ort gibt es keine Wiederkehr …“
    Clara fröstelte.
    Nachdenklich schaute Adrian über Clara hinweg zur Frankfurter Skyline.
    „Unsere Wege trennen sich jetzt. Es gibt nichts, was Ihre und meine Welt in Zukunft verbindet.“
    „Sicher?“ Clara blickte ihn fragend an.
    „Absolut. Wobei ich die letzten 48 Stunden mit Ihnen niemals vergessen werde. Machen Sie es gut. Ich gehe jetzt …“
    Mit einer ausholenden Handbewegung zeigte Adrian auf die Eisenbahnbrücke hinter ihm.
    „Können wir nicht …“
    „… in Verbindung bleiben?“ Adrian schüttelte seltsam berührt den Kopf. „Es wäre eine Beziehung ohne Gleichgewicht. … Da hatten Sie da oben in der Commerzbank absolut recht. Wir sollten …“
    Clara drehte sich um und lauschte. Über den verschlammten Weg näherte sich von der Deutschherrnbrücke langsam ein Fahrzeug. Immer wieder hoben und senkten die Schlaglöcher die Scheinwerfer des Wagens. Adrian zögerte.
    „Ihr Taxi, Madame! Machen Sie es gut.“

67
    Edith fluchte. Der Mercedes vor der Großmarkthalle war leer.
    „Haben Sie gesehen, wo
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