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Darling

Darling

Titel: Darling
Autoren: Hanna Hartmann
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zuverlässiger Indikator für einen Stau. ‚Wir wollen den Menschen im Verkehrschaos die Kontrolle zurückgeben’, warb mittlerweile ein Marktführer für Navigationsgeräte mit einem vergleichbaren Stauwarnservice, der auf die Bewegungsmuster von Mobiltelefonen setzte.
    „Fahren wir zur Darling-Produktion?“ Stefan Weber sah Edith erwartungsvoll an.
    Die Kommissarin schwieg und schaute aus dem Fenster. Dann drehte sie sich langsam zu ihm um.
    „Macht das jetzt Sinn? Glaubst du, die warten dort auf unseren Besuch?“
    In diesem Moment klingelte das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Edith ging dran, hörte kurz zu, bedankte sich und legte wieder auf. Ein wissendes Lächeln umspielte ihre Lippen.
    „Der BMW ist eben in der Mainzer Landstraße von einer Polizeistreife, die das Generalkonsulat der Volksrepublik China beobachtet, gesehen worden. Der Wagen ist den Beamten aufgefallen, weil er viel zu schnell Richtung Innenstadt fuhr.“ Edith griff nach ihrem Mantel. „Stefan, wir fahren. Ach, Frau Müller, ich brauche unbedingt die Adresse von Enzo Calderola. Rufen Sie mich bitte unterwegs an.“

65
    „Gib Gas! Clara ist mit dem Taxifahrer in der Sansibar.“ Erik glotzte Alexander Paul fragend an.
    „Hab’ eben Melanie angerufen und gefragt, ob sie Clara gesehen hat.“
    Wütend schlug Erik auf das Lenkrad.
    „Wir haben Stress, und die geht mit diesem Wichser Party machen! Alex, das darfst du dir nicht bieten lassen. Die hält dich zum Narren! Ich hab’ dir immer gesagt, dass deine Frau zu exzentrisch ist.“ Zornesröte stieg in ihm auf. Dann beschleunigte er den BMW. Auf der Mainzer Landstraße hatte er kurz vor elf absolut freie Fahrt. „Niemand darf die Darling-Produktion aufs Spiel setzen. Niemand! Noch nicht mal Clara.“
    Wütend bellte er Satz um Satz aus sich heraus.
    Alexander Paul warf einen skeptischen Seitenblick auf den aufgebrachten Ledermann, dessen von Narben gezeichnetes Gesicht in der vorbeihuschenden Straßenbeleuchtung noch brutaler wirkte als sonst. Patricia hatte ihm nur wenige Stunden vor ihrem Tod, nachdem sie sich zärtlich geliebt hatten, gestanden, dass Erik sie seit einer kurzen Affäre inbrünstig anbete und sich riesig auf den Videodreh mit ihr freue. Alex hatte Patricia versprechen müssen, die Waterbondage-Szene mit Clara zu besetzen, weil Erik ihr Angst mache. Außerdem wollte er sie nicht mehr mit anderen Männern teilen. Weder real noch virtuell.
    Doch als Clara sich Montagabend verspätete, drängte die Zeit. Er hatte das Video in der historischen Kläranlage seinen amerikanischen Geschäftspartnern detailliert angepriesen und somit keine Wahl. Die Szene musste gedreht werden. Außerdem kostete eine einmal gebuchte Crew Unsummen. Wie hätte er Clara plausibel erklären können, dass er die entscheidende Szene des Videos gestrichen habe, weil er sich in die neue Schauspielerin verliebt habe? Schwierig. Als Erik ihn dann bedrängte, die Szene mit Patricia drehen zu dürfen, hatte er schweren Herzens nachgegeben. Geschäft war Geschäft. Wenn er nur im Entferntesten geahnt hätte, dass die Verkabelung schlampig isoliert war, hätte er den Dreh natürlich abgebrochen. Seit dieser Nacht lief sein Leben aus dem Ruder. Dass Clara am Telefon so kalt und abweisend reagiert hatte, verhieß nichts Gutes. Er kannte sie zu gut. Ahnte sie etwas? Wieso wollte sie sich erst morgen mit ihm treffen? Noch heute Nacht brauchte er ihre Unterschrift, sonst würde der Deal mit dem US-Verleih platzen. Amerika, du hast es echt besser, dachte er, als er links von sich mächtig und glitzernd den Messeturm in die wolkenverhangene Nacht emporragen sah. Gekrönt von einer Pyramide aus Glas und Licht war er einer der Wolkenkratzer, der neben der Commerzbank und dem Maintower Frankfurt über Deutschland hinaus ein unverwechselbares Profil gegeben hatten. Mainhatten war ein zutreffender Begriff für die ausgesprochen beeindruckende Skyline.
    Als sein Blick über den Tacho schweifte, erschrak er.
    „Fahr langsamer, Erik. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine dämliche Verkehrskontrolle.“
    Erik nickte. Doch erst kurz vor dem Platz der Republik drosselte er das Tempo.

66
    Als Adrian Claras Mercedes auf dem Seitenstreifen vor der Großmarkthalle parkte, bemerkte er im Seitenspiegel eine langsam vorbeifahrende Polizeistreife. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Doch Clara schien nichts bemerkt zu haben. Entspannt lächelte sie ihn aus dem tiefschwarzen Ledersitz des Wagens an. Wie gewohnt öffnete er
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