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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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eine dunkle Wolke in Gestalt meines Treuhänders über unser Glück. Tante Mame und ich hielten gerade unsere » morgendliche Plauderstunde « ab. Wahre Muttergefühle hatten sie an dem Tag überkommen, und sie las mir Passagen aus In einem anderen Land vor, als ein Eilbrief der Knickerbocker Trust Company unser friedliches Stelldichein mit Hemingway erschütterte.
    In dem Brief von Mr. Babcock stand, er habe sich schon seit langem mit uns treffen wollen, aber die Geschäfte und so weiter und so weiter, und dann führen er und seine Familie in den heißen Sommermonaten immer nach Maine usw., usw., und gerade wären sie zurückgekommen, da sei sein Sohn an einer schweren Mandelentzündung erkrankt, bei der der Arzt usw., usw., aber jetzt, wo alles wieder im Lot usw., usw., und wir hätten doch so viel zu besprechen über Master Patrick usw., usw., ob Miss Dennis nicht mit Mr. Dennis nach Scarsdale kommen wolle, um einmal so richtig wie früher usw., usw., natürlich früh zu Ende, damit die Jungs auch ihren Nachtschlaf bekämen, usw., usw., die Züge vom Bahnhof Grand Central seien zwar nicht die allerbequemsten, aber usw., usw., und Tante Mame möchte den Termin bitteschön bestätigen.
    Tante Mame seufzte, reichte mir den Brief und klingelte nach einem Whisky mit Zitrone. » Ach je, Darling « , rief sie, » das bedeutet das Ende. Dieser Treuhänder! Ich sehe es schon deutlich vor mir, so deutlich, wie ich dich jetzt sehe– ein scheußliches Komplott, damit er auftrumpfen und die Pläne, die ich mit dir habe, vereiteln kann. « Ich notierte » auftrumpfen « und » vereiteln « in mein Heft und versicherte ihr, eigentlich sei Mr. Babcock ein ganz netter, ruhiger kleiner Mann.
    » Ach, Kindchen « , heulte sie auf, » diese grauen Mäuse, das sind die Schlimmsten. Die schlimmsten Gierschlucker. «
    Ihrer lebenslangen Gewohnheit entsprechend, machte sie eine halbe Stunde lang theatralisches Getue, beruhigte sich anschließend wieder und entschied, sich der Herausforderung zu stellen. Mit ihrer aufgesetzten Bildungsbürgerstimme rief sie Mr. Babcock an und sagte ihm, wir beide freuten uns schon riesig, morgen mit seiner Familie in Scarsdale zu Abend zu essen, und er brauchte sich nicht die Mühe zu machen, uns vom Bahnhof abzuholen, da wir mit dem Auto kämen. Ach, war sie vornehm. Danach rief sie ihre beste Freundin Vera an und befahl ihr, alles stehen und liegen zu lassen und sofort herzukommen.
    Tante Mames Freundin war eine berühmte Schauspielerin aus Pittsburgh, die sich mit solch ausgeprägter Mayfair-Eleganz ausdrückte, dass man kaum ein Wort verstand. Sie mochte Kinder nicht, was auf Gegenseitigkeit beruhte, aber da Tante Mame in ihr neues Stück investiert hatte, verhielt sich Vera mir gegenüber einigermaßen höflich.
    Vera schwebte auf einer Wolke aus weißem Fuchspelz herbei, und sie und Tante Mame mimten erneut » Verzweiflung « . Zum Schluss kam Vera, die Vernünftigere von beiden, zur Sache. Sie bat Ito um eine Flasche Brandy und übernahm mehr oder weniger die Regie.
    » Meine Liebe « , sagte sie, » du darfst dich nicht so gehen lassen. Du bist vollkommen hysterisch. Du trinkst jetzt brav einen Schluck hiervon und beruhigst dich, während ich dir ein paar schlichte Wahrheiten sagen werde. Erstens hast du überhaupt nichts zu befürchten. Du siehst gut aus, kommst aus gutem Haus, bist intelligent, du hast Bildung, Geld und eine Position– einfach alles. Vielleicht bist du eine Idee zu extravagant für Scarsdale. Aber ich sage dir, meine Liebe, das ist nur eine Frage der Mäßigung– der vorübergehenden. Als ich die Lady Esme in Eine Sommerlaune spielte… «
    » Sommerlaune « , kreischte Tante Mame, » hier geht es um meine Sommerlaune, und du kannst über nichts anderes reden als deine Triumphe! Sag mir, was soll ich machen? « Sie knabberte an ihren gold lackierten Fingernägeln.
    » Was ich sagen wollte, meine Lie-hiebe « , fuhr Vera hochmütig fort, » als ich die Lady Esme spielte, ließ ich alle meine Kostüme bei Chanel nähen, und Coco hat zu mir gesagt, ›Chérie‹ – sie nannte mich immer chérie– ›Chérie‹, sagte sie, ›Kleider wirken auf die Stimmung, auf die Person– auf einfach alles.‹ Recht hatte sie. Erinnerst du dich an den letzten Akt, als ich die Treppe hinunterschreite, nachdem sich Cedric gerade erschossen hat? Ich wollte dazu Schwarz tragen, aber Coco meinte, ›Chérie, dazu musst du Grau tragen. Ein grauer Tag, eine graue Stimmung, ein graues Kleid, mit
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