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Darkover 06 - Die Flamme von Hali

Titel: Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Autoren: Marion Zimmer Bradley / Deborah J. Ross
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Man schlief ein, wachte nie wieder auf und brauchte sich nicht mit aufdringlichen Fremden abzugeben. Es klang wunderbar.
   Er würde nie wieder Bier in sich hineinschütten müssen, das so schlecht war, dass selbst ein Hund es nicht trinken würde, so lange, bis der Knoten in seinem Bauch sich schließlich entspannte und die Stimme in seinem Kopf schwieg. Es würde keine jämmerlichen, erniedrigenden Tagelöhnerarbeiten mehr geben, kein Stehlen von Kleingeld mehr, kein Betteln um den nächsten Krug. Essen, ein Bett oder der Spott der Straßenjungen - das interessierte ihn schon lange nicht mehr. Das Einzige, was zählte, waren das nächste Bier, der nächste Schnaps. Und Ruhe, gesegnete Ruhe.
   Nun bewegte er sich, teilweise reflexartig, teilweise von den sanften, unnachgiebigen Händen gezogen. Vor ihm tauchte eine Gasse auf. Er erkannte sie nicht - sie hätte überall in den ärmeren Vierteln von Thendara sein können. Oder vielleicht auch in Dalereuth oder Arilinn.
   Nein, nicht Arilinn. Dort könnte er sich nicht verstecken. Sie würden ihn erkennen, ganz gleich, wie schmutzig oder betrunken er war. Sie würden seinen Geist erkennen, die Leronyn des Turms. Selbst mit den geistigen Schilden, die für ihn schon seit langer Zeit so automatisch geworden waren wie das Atmen, würden sie ihn erkennen, denn er war einmal einer von ihnen gewesen. Hier im anonymen Dreck von Darkovers größter Stadt würde niemand nach ihm suchen. Er konnte sich in einem Fluss aus Bier ersäufen. Niemand würde wissen, ob er lebte oder starb. Niemand würde sich dafür interessieren. Nur im bitteren Winter konnte es passieren, dass ein Passant oder ein Bierhausbesitzer einen namenlosen Betrunkenen aus dem Schnee zog; denn keiner konnte solche Nächte überleben.
   »Wir sind beinahe da«, sagte die Stimme.
   »W-wo?«, krächzte er.
   Er spürte das Lächeln des Fremden eher, als dass er es sah. »An einem sicheren Ort.«
   Sie kamen zwischen zwei Gebäuden hindurch, die tief im Schatten lagen. Ein kalter Wind mit eisigen Klauen fegte durch die enge Gasse. In dieser Nacht würde es wieder schneien. Eduin schauderte und stellte sich vor, wie er in eine Schneeverwehung kriechen würde. Er würde allerdings sehr betrunken sein müssen, um das zu tun, beinahe erstarrt, oder der Druck in seinem Kopf würde ihn davon abhalten. Er hatte schon mehrmals versucht, dauerhaftes Vergessen zu finden, aber jedes Mal hatte sein zweites Bewusstsein ihn wie ein alter, böswilliger Begleiter am Leben gehalten und ihn wieder an seine ganz eigenen Ziele gekettet.
   Eine Tür schwang auf, und er spürte wärmere Luft. Er streckte die Hand aus, um im Gleichgewicht zu bleiben, und berührte die rissigen, verwitterten Bretter. Drinnen flackerte Licht auf. Er entzog sich taumelnd dem Griff des Fremden und sackte auf einen grob gezimmerten Stuhl.
   Er war in einer Art Dienstbotenquartier, vielleicht einer alten Spülküche, obwohl er nichts weiter sehen konnte als einen klapprigen Tisch an einer Wand. Ein Krug mit abgebrochenem Rand stand neben einer ebenso angeschlagenen Schüssel. Er konnte den Rest des Raums nicht sehen, ohne den Kopf zu drehen, und das hätte bedeutet, eine weitere Welle Übelkeit erregenden Schmerzes zu riskieren.
   »Durst«, sagte er flehentlich und machte eine Geste.
   Der Fremde beugte sich über ihn, und es sah aus, als läge ein Mantel aus blauem Licht auf seinen Schultern. Die Kapuze verbarg sein Gesicht. Er legte eine Hand auf Eduins Stirn.
   Ruh dich aus. Ruh dich jetzt aus und vergiss. Wir unterhalten uns morgen .

Eduin erwachte in einem trüben, wässrigen Licht. Er war von einem seltsamen, ruhelosen Traum zum anderen gehetzt, und in allen war er von gesichtslosen Männern verfolgt worden, die ihn jedes Mal, wenn er versuchte, sich zu verstecken, entdeckten. Nun lag er auf einem dünnen Strohsack auf dem Boden in einem Raum, der ihm fremd sein sollte, aber vertraut vorkam.
   Von seinem körperlichen Unbehagen, dem Drängen seiner Blase und der dicken, wattigen Schicht in seinem Mund einmal abgesehen konnte er sich nicht erinnern, wann er sich je unbeschwerter und innerlich ruhiger gefühlt hatte. Es war, als wäre eine Stimme, die ihn Tag und Nacht angeschrien hatte, plötzlich verstummt.
   Als er sich hinsetzte, knackten seine Wirbel, und die Muskeln waren steif. Das Licht fiel durch Schichten von geöltem Tuch, die anstelle von Glas im Fensterrahmen angebracht waren. Eine Kerze, dick und
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