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DARKNET

DARKNET

Titel: DARKNET
Autoren: Daniel Suarez
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war. Der Major wusste, dass solche Veränderungen nicht über Nacht erfolgten. Sie lagerten sich über die Jahrzehnte schichtweise ab – und mit ihnen die Geheimnisse.
    Dass er diese Geheimnisse
kannte
, unterschied den Major von seinen Kollegen. Er rechnete immer mit dem Schlimmsten und wurde selten enttäuscht. Seine «Schwarzseherei» hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet, als alle um ihn herum zu Tode gekommen waren. Auch jetzt, da er mit einem Sechziger-Jahre-Periskop in die geplünderten Vorratsräume draußen vor seinem Versteck spähte, war klar, dass sich seine Paranoia wieder einmal bewährt hatte.
    Zehn Tage war es her, dass Sobols Daemon die Wirtschaftsfürsten dieser Welt in den Bankrott gestürzt hatte. Dass Tausende von Darknet-Agenten die Fünf-Sterne-Survival-Lodge, die die Sky Ranch jetzt war, zentimeterweise durchsucht hatten. Sie hatten die Lagerhäuser und Vorratsräume ausgeräumt, die Waffensysteme entschärft und die Tresore geplündert. Sie hatten sich Grundrisse und Datenbanken vorgenommen, um alles zu finden, was zu finden war.
    Was sie jedoch nicht entdeckt hatten, war das noch aus dem Kalten Krieg stammende Versteck des Majors. Es ging das Gerücht, es sei ursprünglich das heimliche Liebesnest eines Banker-Casanovas gewesen – nach damaligen Bunkerstandards erbaut, um den wahren Zweck zu verschleiern und laute Musik nicht nach außen dringen zu lassen. Der gut getarnte Eingang habe ungeladene Besucher fernhalten sollen.
    Ob die Geschichte nun stimmte oder nicht, von der Einrichtung her wirkte es allemal wie das Vergnügungsrefugium eines Jahrhundertmitte-Bankers – geräumige Sofas, Bar, Billardtisch, Kartentische. Zudem war es muffig, verstaubt und unerklärlich kalt. Aber es hatte sein Überleben gesichert, im Verein mit den Konserven, die er im Vorratsraum draußen hatte mitgehen lassen. Der Major blickte ein weiteres Mal durch das Periskop. Alles ruhig.
    Er hatte einen leichten Bart bekommen und trug ein Kapuzenshirt und Jeans, beides aus der nahegelegenen Wäscherei requiriert. Er öffnete die schwere Tür einen Spalt und horchte. Nichts zu hören.
    Er schlug die Kapuze hoch, streckte den Kopf durch den Türspalt und spähte nach rechts und links. Da kam Tageslicht durch einen offenen Notausgang, dessen Tür im Wind schwang. Jeder Windstoß fegte Abfall über den Fußboden.
    Unordnung. Ein gutes Zeichen.
    Er schulterte sein Masada-Sturmgewehr mit Zielvorrichtung, griff sich sein Daypack mit Konserven und in Spirituosenflaschen abgefülltem Leitungswasser und sah sich dann sicherheitshalber noch einmal draußen um, ehe er den Bunker verließ. Am offenen Notausgang spähte er durch den Spalt bei den Türangeln.
    Es war ein trüber Tag, was günstig war, aber er fluchte lautlos, als er auf den Fußwegen beim Haupthaus immer noch Darknet-Wachen patrouillieren sah. Ein Posten trug den charakteristischen Körperpanzer eines Daemon-Streiters. Alle hatten Darknet-Waffen. Ungesehen hier hinauszukommen war unmöglich. Und bei Dunkelheit würde es auch nicht besser sein, weil sie dann mit Sicherheit Nachtsichtbrillen hatten. Ja, dann wäre er nur im Nachteil.
    Der Major blieb ruhig. Er griff in seinen Rucksack und entnahm ihm eine HUD -Brille sowie ein aufgespultes Kabel, das mit einem Elektronikgehäuse verbunden war.
    In den letzten Tagen vor Operation Exorcist hatte das Weyburn-Labs-Team entscheidende Fortschritte gemacht, was das Einhacken ins verschlüsselte Daemon-Darknet betraf. Partiell verdankte sich das natürlich Dr. Natalie Philips und ihrer Arbeit in Gebäude 29, wo sie die Möglichkeit des Identitätsdiebstahls von Darknet-Mitgliedern aufgezeigt hatte. Doch um dieses Netzwerk zu benutzen, mussten sie es kontrollieren. Auf dem Weg dahin waren sie schon gewesen – und der Major würde es vielleicht bald schon wieder sein.
    Seine Wissenschaftler waren darüber hinausgelangt, ein Darknet-Mitglied medizinisch am Leben erhalten zu müssen, um mit dessen Identität ins Netzwerk zu gelangen – sie hatten eine bessere Lösung gefunden. Sie hatten die biometrischen Daten digitalisiert und ein Gerät entwickelt, das diese Daten in die Sensoren der Standard- HUD -Brille injizierte, einschließlich des Pulssensors. Mit diesem System brauchte man für den Diebstahl einer Darknet-Identität nur noch die biometrischen Daten des betreffenden Mitglieds – Fingerabdrücke, Iris-Scan, Stimme.
    Und genau das hatte der Major dem Laborteam beschafft.
    Im Moment, in dem er das Gerät
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