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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room
Autoren: Sophie Andresky
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sie von den Labyrinthgängern forderte, und es war ihre Absicherung vor Presseleuten, Plaudertaschen oder Freaks aller Art. Anfangs hatte sie sich gefragt, was sie mit Bewerbern machen sollte, die keinerlei belastende Unterlagen über sich hätten, weil es einfach nichts gäbe außer einer weißen Weste. Aber sie stellte bald fest, dass diese Sorge unbegründet war: Jeder hatte Dinge und Geschichten zu verbergen. Bei dem einen waren es Fotos mit der heimlichen Geliebten, bei der anderen Aufnahmen von körperlichen Makeln oder Schönheits—OPs, verschwiegene Prozessakten, Beweise für Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug, Fahrerflucht, Sachbeschädigung, Kreditkartenmissbrauch, Andenken an eine Karriere im Rotlichtbezirk, dem Partner verschwiegene Abtreibungen, handschriftliche Schuldeingeständnisse über Bosheiten, Intrigen oder Lügen, die Liste war unendlich. Manchmal, wenn sich die Grinsekatze unerkannt unter ihre Gäste mischte, wunderte sie sich, was für sympathische, freundliche und herzliche Menschen sie im Labyrinth traf. Man sollte meinen, dass solche kompromittierenden Geheimnisse jemanden auf irgendeine Weise entstellten oder abstoßend machten, aber im Gegenteil: Es waren alles überdurchschnittlich attraktive, nette Personen, von denen wohl niemand vermutet hätte, was sie verbargen. Und letztendlich war sie ja auch nicht besser, auch sie hatte ihre Vergangenheit, und »unschuldig wie ein Lamm« würde niemals auf ihrem Grabstein stehen, »Määh!« schon eher.
    Im Laufe der Zeit hatte sie die Sicherheitsmaßnahmen stetig ausgebaut. Sie wusste immer genau, wer an der Party teilnahm, und ihrem Sklaven, dem sie den Nickname Quälius verpasst hatte, lag die Teilnehmerliste ebenfalls vor. Gäste mitzubringen war verboten. Und damit sich die Spielorte nicht herumsprachen und womöglich Neugierige anzogen, bekamen die Mitglieder nach Überweisung ihres Eintrittspreises nur einen ungefähren Ort genannt. Dort fanden sie ein verabredetes Zeichen vor, gestern Abend war es das Plakat mit dem weißen Kaninchen gewesen. Darauf befand sich eine Buchstabenkombination, die sie per SMS weitergeben mussten. Erst wenn der Sklave Person und Handynummer verglichen hatte, schickte er eine SMS mit den endgültigen Koordinaten, und dann, nach einer Art Schnitzeljagd wie beim Geocaching, trafen schließlich die angemeldeten Teilnehmer der Party am Ort des Geschehens ein.
    Manchmal war es komplett improvisiert, etwa die Sache in dem abbruchreifen Parkhaus, da bestand der Thrill darin, dass alles ganz schnell gehen musste, weil zwischen Einladung und Partybeginn nur drei Stunden lagen, oder aber die Grinsekatze schuf eine opulente Inszenierung, und die Gäste fanden sich im Raumschiff, im alten Rom oder in einem Fernsehstudio wieder.
    Oder eben in einem Flugzeughangar.
    Gemma konnte es schon vor sich sehen: sexy Mädchen in Pan-Am-Uniformen, Go-go-Tänzer, die als Piloten verkleidet an Stangen tanzten, Sicherheitskontrollen mit intensiverem Abtasten als auf Flughäfen üblich, und das gesamte Spektakel in Berlins skandalträchtigster Baustelle. Selbst ihre engsten Mitarbeiter würden nicht erfahren, welche Kontakte sie dafür genutzt hatte und wie hoch der Preis gewesen war. Sie verriet nie mehr als unbedingt nötig. Und da jeder aus ihrem Team ebenfalls eine Versicherung eingereicht hatte, konnte sie sich auch in ihren eigenen Reihen auf Diskretion und Loyalität verlassen.
    »Zu viele Leute«, hörte sie Püppi sagen. Sie schrak aus ihren Gedanken hoch.
    »Was hast du gesagt?«
    »Die Flughafensache braucht zu viele Leute. Im Notfall müssen Sie in Windeseile alles Equipment abbauen und wegschaffen, die Wege sind zu weit, die Öffentlichkeit ist zu aufmerksam, vor allem aber sind zu viele Leute nötig, um das durchzuziehen.«
    Er suchte nach Argumenten.
    »Sie wissen doch, dass manche Leute glauben, die Mondlandung sei ein großer Fake gewesen? Und warum das Quatsch ist? Zu viele Mitwisser! Niemand hätte die Mondlandung faken können.«
    Die Grinsekatze lächelte hochmütig.
    »Hätte mein Team so einen Fake organisiert, hätte man’s geglaubt, und die Bildqualität wär auch besser gewesen.«
    Püppi gab es auf, und wahrscheinlich hatte seine alte Freundin sogar recht. Wenn eine es hinkriegen würde, den Hangar in einen großen Swingerclub zu verwandeln, ohne dass irgendwer etwas davon mitbekam, dann sie. Er wechselte das Thema.
    »Haben Sie mittlerweile eine Idee, wieso gestern die Polizei aufgekreuzt ist? Meine
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