Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room
Autoren: Sophie Andresky
Vom Netzwerk:
Lebenswandel nicht ändere, Evi, die auflegte, wenn Fiona sie anrief, das Gefühl von Schmerz und Enttäuschung, das sich in Fionas Magen wie Blei anfühlte. Und der Wunsch nach Rache, der Wunsch, jemanden zu schlagen und zu treten, bis all diese Gefühle vorbei waren. Mit einem letzten Rest klaren Verstandes drehte sich Fiona um und registrierte, dass ihr Plan funktioniert hatte, die rückwärtige Straße war menschenleer, und da es langsam heller wurde, konnte sie nun weiter sehen und begriff, dass sie in Sicherheit war.
    Noch bevor sie Erleichterung oder Befriedigung fühlte, kochte die Wut erneut in ihr hoch, sie hörte sich Satzfetzen murmeln, und immer wieder war es Evis Gesicht, das zwischen den rasend schnell wechselnden Bildern auftauchte.
    Da vorn stand Evis Auto, ein knallroter Mini, ein Auto wie ein Erste-Hilfe-Kasten, lächerlich für eine Fahrerin wie Evi, bei der jede Hilfe zu spät kam. Fiona sprang mit einem großen Schritt auf das Auto zu und trat mit voller Wucht den Außenspiegel ab. Das tat so gut, dass sie es auf der anderen Seite wiederholte. Erschöpft lehnte sie sich gegen den Kotflügel und brach dann plötzlich über der Motorhaube zusammen, sodass die Schlüssel an dem Band um ihren Hals schepperten. Sie bekam das Bündel zu fassen. Evi hatte den Wagen seit Wochen wohl nicht benutzt, nicht benutzen dürfen wahrscheinlich. Fiona hörte es von weit her knirschen, konnte das aber nicht einordnen, immer wieder dämmerte sie weg und hatte das Gefühl, als drifteten einzelne Sekunden direkt ins Nichts, ins Vergessen, wo alles schwarz war und ganz still.
    Sie wurde wieder wütend, aber zu dem Zorn kam jetzt auch Übelkeit dazu, und sie begann so zu frieren, dass ihre Zähne klapperten und sich die Gänsehaut auf ihren Armen anfühlte wie hineingestochen. Die Pillen waren wirklich Dreck, wer hatte sie ihr gegeben? Der Gote? Normalerweise hatte der Gote immer guten Stoff. Ein schrilles Fiepen schwoll in ihren Ohren an und wurde immer lauter, sie rannte los, kümmerte sich nicht darum, dass ihr Herz hämmerte und sie kaum noch Luft bekam, Hauptsache weg von diesem Fiepen. Schließlich schlug sie unvermittelt, einfach so, lang auf die Straße.
    Das Blut rauschte durch ihren Schädel, und sie hechelte in kurzen hektischen Atemzügen, und die Umrisse der Pflastersteine verschwommen vor ihren Augen.
    Da fasste sie jemand vorsichtig am Arm.
    »Eule?«
    Seine Stimme war dunkel und warm und kam von weit, weit oben. Sie hob mühsam den Kopf und erkannte einen hünenhaften Mann in beige-grau gefleckten Tarnhosen. Die Muskeln seines Oberkörpers sprengten fast das schlammfarbene Unterhemd. Einer der Labyrinthwächter.
    »Hallo, Püppi«, röchelte sie, »suchen Tiere ein Zuhause?« Sie kicherte und konnte sich gar nicht mehr beruhigen.
    Er streichelte ihren Kopf. »Du bist ja völlig durch. Ich kratz dich jetzt mal vom Pflaster, ja?«
    Fiona kicherte immer noch. »Hier ist keine Autobahn, Püppi, und ich bin kein platter Dachs.« Bei den letzten Worten fing sie an zu lachen und wiederholte sie. Der Hüne griff vorsichtig unter ihre Knie und stützte ihren Kopf ab, als er sie hochhob und über die Straße trug. Er ging sicher und ohne zu zögern auf einen weißen Kastenwagen zu. Er konnte sie mit einem Arm festhalten, während er die Tür aufschloss, und ließ Fiona auf den Beifahrersitz gleiten. Hinten im Wagen, abgetrennt durch ein dickes Drahtgeflecht, sah Fiona drei Waschbären herumspringen. Es roch erdig.
    »Bringst du uns vier in den Wald?«, murmelte sie, als Püppi sich anschnallte und den Wagen startete. Er tätschelte ihr Knie. »Dich bringe ich nach Hause und die drei Panzerknacker in den Spandauer Forst.«
    Er langte hinter seinen Sitz, holte einen Seesack nach vorn, kramte darin herum und gab ihr ein Smartphone. »Hier ist dein Handy. Den Sack konnte ich noch retten, als es losging.«
    »Es sind große, große Trucks im Wald und Polizisten, die haben auf mich mit dem Blasrohr geschossen«, murmelte sie noch und schlief dann leise schnarchend ein.
    * * *
    Sie wachte erst auf, als er sie aus dem Auto hob und über seine Schulter warf. Sie standen vor dem Reihenhaus an der Ecke, das genauso aussah wie alle anderen in der Straße. Auf dem Weg zum vorderen Eingang konnte man seitlich einen Blick in den Garten werfen: Hinter den Hecken ragte die Krone einer Buche in den Himmel, einzelne Äste reichten bis zum Haus hinüber, als griffen sie nach ihm. Die Blätter waren teilweise schon gelb und rot
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher