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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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verständlich.
    Auf einmal hörte sie lautes Lachen aus seinem Zimmer, was ihr noch mehr auf die Nerven ging als das Gemurmel. Ben hatte nie viel gelacht, nicht mal als Kind. Mit acht hatte er seine Schwester kühl gemustert und verkündet: »Michelle hat einen Lachanfall«, als diagnostizierte er eine Krankheit, die dringend behandelt werden musste. Er war immer still gewesen, zurückhaltend, sogar verschlossen. Sein Vater wusste mit ihm nichts anzufangen; mal versuchte er mit ihm zu toben (wenn Runner mit ihm auf dem Boden herumrollte, machte Ben sich ganz steif und reagierte kaum), mal beschimpfte er ihn (wobei der Hauptvorwurf war, dass der Junge keinen Spaß verstand und sich sonderbar und zickig aufführte). Patty war nicht viel besser mit ihrem Sohn zurechtgekommen. Vor kurzem hatte sie sich ein Buch über die Erziehung von Teenagern gekauft, das sie unter ihrem Bett versteckte, als wäre es Pornographie. Der Autor riet den Eltern, mutig zu sein, Fragen zu stellen und Antworten von den Pubertierenden zu verlangen, aber Patty brachte das einfach nicht fertig. Zurzeit konnte man Ben manchmal schon mit einer Andeutung zum Explodieren bringen oder ein unerträglich lautes Schweigen provozieren. Je mehr sie ihn zu verstehen versuchte, desto mehr versteckte er sich. In seinem Zimmer. Wo er mit Menschen redete, die sie nicht kannte.
    Auch ihre drei Töchter waren wach, schon seit Stunden. Eine Farm – selbst ihre jämmerliche, überschuldete, unterbewertete – verlangte, dass man früh aufstand, und die Routine hielt sich den ganzen Winter über. Jetzt spielten die Mädchen draußen im Schnee. Patty hatte sie hinausgescheucht wie ein Rudel Welpen, damit sie Ben nicht weckten, und sich geärgert, als sie seine Stimme am Telefon hörte und merkte, dass er längst auf war. Sie wusste, dass sie deshalb jetzt Pfannkuchen machte, das Lieblingsfrühstück der Mädchen. Gerechtigkeit. Ben und die Mädchen warfen ihr ständig vor, sie würde jemanden bevorzugen – entweder kam der Vorwurf von Ben, der dauernd Geduld mit den kleinen, herausgeputzten Kreaturen haben musste, oder von den Mädchen, die dauernd leise sein sollten, um ihren Bruder nicht zu stören. Mit ihren zehn Jahren war Michelle die älteste Tochter, Debby war neun und Libby sieben. (»Herrgott, Mom, du bist doch kein Kaninchen«, hörte sie Bens mahnende Stimme.) Sie spähte durch die dünne Gardine nach draußen, um die Mädchen unbemerkt zu beobachten: Michelle und Debby, Chefin und Assistentin, bauten eine Schneeburg, in deren Planung sie Libby wohlweislich erst gar nicht einbezogen hatten. Libby versuchte, sich einzubringen, doch die Schneebälle, Steine und Stöcke, die sie anschleppte, wurden kaum eines Blickes gewürdigt und sofort zurückgewiesen. Schließlich ging Libby in die Knie und heulte eine Weile, dann trat sie das Bauwerk kurzerhand kaputt. Patty wandte sich ab, denn sie wusste, dass als Nächstes Fäuste und Tränen kämen, und dafür war sie nicht in Stimmung.
    Mit einem leisen Knarren öffnete sich Bens Tür, und an den schweren Schritten am anderen Ende des Flurs hörte sie, dass er mal wieder die schweren schwarzen Stiefel trug, die sie so leidenschaftlich hasste. Ignorier sie einfach, sagte sie sich. So redete sie sich auch immer gut zu, wenn er seine Tarnhose trug. (»Dad hat die auch immer angehabt«, hatte er geschmollt, als sie sich über seinen Aufzug beklagt hatte. »Zum Jagen, ja. Nur zum Jagen«, hatte sie gekontert.) Sie vermisste den Jungen, der früher am liebsten möglichst schlichte Klamotten getragen hatte, hauptsächlich Jeans und karierte Buttondown-Hemden. Den Jungen mit den dunkelroten Locken, der eine leidenschaftliche Begeisterung für Flugzeuge an den Tag legte. Und jetzt erschien er in der Küche mit einer schwarzen Jeansjacke, schwarzen Jeans und einer dicken Mütze, die er sich weit in die Stirn gezogen hatte. Er murmelte etwas und machte sich dann gleich auf den Weg zur Tür.
    »Nicht vor dem Frühstück«, rief sie. Er hielt inne und wandte ihr lediglich das Profil zu.
    »Ich hab ein paar Dinge zu erledigen.«
    »In Ordnung, aber frühstücke doch erst mal mit uns.«
    »Ich hasse Pfannkuchen. Das weißt du eigentlich.« Verdammt.
    »Ich kann dir gern was anderes machen. Setz dich doch.« Gegen einen direkten Befehl würde er sich nicht auflehnen, oder? Sie starrten einander an, und Patty war kurz davor, klein beizugeben, als Ben einen tiefen Seufzer ausstieß und sich auf den nächstbesten Stuhl fallen
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