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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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wirkten, lächerlich, seltsam pornographisch.)
    Von dem Spendengeld lebte ich seit über dreizehn Jahren, aber nun näherte es sich dem Ende. An diesem Nachmittag hatte ich einen Termin, bei dem festgestellt werden sollte, wie viel genau noch da war. Einmal im Jahr bestand der Mann, der das Geld verwaltete – ein unerschrockener, rotwangiger Banker namens Jim Jeffreys –, darauf, mich zum Lunch auszuführen, zu einem »Check-up«, wie er es nannte. Dann aßen wir etwas aus der Preisklasse um die zwanzig Dollar und unterhielten uns über mein Leben – schließlich kannte er mich schon, seit ich sooo klein war, hehe. Ich meinerseits wusste so gut wie nichts über Jim Jeffreys und fragte auch nie, sondern sah diese Verabredungen strikt aus der immer gleichen Kinderperspektive: Einigermaßen höflich sein und daran denken, dass es bald vorbei ist. Einsilbige Antworten, müde Seufzer. Meine einzige Vermutung über Jim Jeffreys war, dass er religiös orientiert sein musste, christlich, kirchlich, denn er besaß die hartnäckige Geduld und den Optimismus von jemandem, der glaubt, dass Jesus ihm ständig über die Schulter schaut. Eigentlich wäre der nächste Check-up erst in acht oder neun Monaten fällig gewesen, aber Jim Jeffreys hatte mich genervt und mit ernster, gedämpfter Stimme Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, in denen er mir mitteilte, er hätte alles getan, um »das Leben des Fonds« zu verlängern, aber es wäre Zeit, über die »nächsten Schritte« nachzudenken.
    Und wieder zeigte sich meine innere Fiesheit: Sofort fiel mir das andere kleine Mädchen aus der Klatschpresse ein, Jamie Soundso, die im gleichen Jahr, also auch 1985 , ihre Familie verloren hatte. Ihr Gesicht war teilweise in dem Feuer verbrannt, das ihr Vater gelegt und damit den Rest ihrer Familie getötet hatte. Jedes Mal, wenn ich am Geldautomaten die Knöpfe drücke, muss ich an diese Jamie denken, und daran, dass ich wahrscheinlich doppelt so viel Kohle hätte, wenn diese Göre mir nicht die Show gestohlen hätte. Dass Jamie Sowieso irgendwo in einem popligen Einkaufszentrum mein Geld ausgab, schicke Handtaschen und Schmuck und affiges teures Make-up kaufte, das sie auf ihr fettglänzendes Narbengesicht schmieren konnte. Total gemein, so was zu denken. Das wenigstens war mir klar.
    Mit einem bühnenreifen Ächzen quälte ich mich endlich aus dem Bett und ging nach vorn. Ich wohne zur Miete in einem kleinen Backsteinbungalow in einer Ringstraße mit lauter kleinen Backsteinbungalows, auf einer Anhöhe, von der man auf den ehemaligen Viehhof von Kansas City blickt. Kansas City, Missouri, nicht Kansas City, Kansas. Das ist ein großer Unterschied.
    Mein Viertel hat nicht mal einen Namen, es ist völlig in Vergessenheit geraten. Man nennt es ›Da Drüben‹. Oder ›Hier Entlang‹. Eine seltsame, zweitklassige Gegend, voller Sackgassen und Hundekacke. In den anderen Bungalows wohnen meist ältere Leute, die hier schon seit dem Bau der Häuschen leben. Mit grauen Puddinggesichtern sitzen sie hinter den Fliegengitterfenstern und starren hinaus, von früh bis spät. Manchmal gehen sie zu ihren Autos, vorsichtig, auf gebrechlichen Zehenspitzen, und wenn ich sie sehe, kriege ich ein schlechtes Gewissen, weil ich denke, ich sollte ihnen vielleicht helfen. Aber das würde ihnen wahrscheinlich nicht gefallen. Es sind keine freundlichen alten Leute, sondern wortkarge, verbitterte Senioren, denen es überhaupt nicht gefällt, dass ich hier eingezogen bin, ich, die
Neue
. Man spürt ihre Missbilligung im ganzen Viertel, es liegt in der Luft wie ein leises Summen. Dazu kommt noch der magere rote Hund zwei Häuser weiter, der tagsüber ständig bellt und nachts andauernd jault, ein Hintergrundlärm, von dem man nicht merkt, dass er einen wahnsinnig macht, bis er für ein paar glückliche Augenblicke aussetzt und dann sofort wieder anfängt. Das einzig fröhliche Geräusch in der Nachbarschaft verschlafe ich normalerweise: das Plappern und Lachen der Kinder, die jeden Morgen – pausbäckig und nach dem Zwiebelprinzip eingemummelt – zu einer Kindertagesstätte marschieren, die noch weiter in dem Rattennest von Straßen hinter mir versteckt liegt. Die erwachsene Begleitperson hält eine Schnur in einer Hand, an der die Knirpse sich festhalten, und so watscheln sie Morgen für Morgen im Gänsemarsch an meinem Haus vorbei. Aber ich habe sie noch kein einziges Mal zurückkommen sehen. Was mich anbelangt, könnten sie die ganze Welt
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