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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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Luft bekamen und mir verstörende Fragen stellten, zum Beispiel, ob meine Mutter manchmal Kuchen gebacken hätte. Ich signierte das Buch für graue, bedürftige alte Männer, die mich durch ihre Bifokalbrillen anstarrten und aus dem Mund nach Kaffee und Magensäure stanken. »Jeder Tag ist ein guter Tag!« schrieb ich, oder: »Ein neuer Tag erwartet dich!« Und ich freute mich, dass mein Nachname »Tag« bedeutete. Die Menschen, die mich treffen wollten, sahen immer erschöpft und verzweifelt aus, standen unsicher in losen Trauben in meiner Nähe herum. Es kamen immer nur wenige. Als mir klarwurde, dass ich für diese Unternehmungen nicht einmal bezahlt wurde, weigerte ich mich, weiter mitzumachen. Das Buch hatte sich inzwischen ohnehin als Reinfall entpuppt.
    »Ich finde, es hätte mehr Geld bringen müssen«, murmelte ich. Auf eine zwanghaft kindliche Art wünschte ich mir den Erfolg des Buches herbei – wenn ich es nur richtig wollte, musste es doch klappen. Es musste einfach!
    »Ich weiß«, sagte Jim Jeffreys. Mehr fiel ihm nach sechs Jahren zu diesem Thema nicht mehr ein. Er sah zu, wie ich schweigend meinen Wein trank. »Aber in gewisser Weise beginnt für dich dadurch eine wirklich interessante Phase in deinem Leben. Ich meine, was möchtest du werden, wenn du groß bist?«
    Mir war klar, dass seine Bemerkung charmant klingen sollte, aber mich machte sie nur wütend. Ich wollte nichts werden, das war ja gerade das Problem.
    »Es ist also kein Geld mehr da?«
    Jim Jeffreys schüttelte traurig den Kopf und begann, Salz auf sein soeben eingetroffenes Steak zu streuen, das in einer grellroten Blutpfütze lag.
    »Wie wäre es mit einer neuen Spendenaktion? Bald ist der fünfundzwanzigste Jahrestag.« Wieder durchfuhr mich die Wut, darüber, dass er mich das laut aussprechen ließ. Ben hatte ungefähr um zwei Uhr morgens am 3 . Januar 1985 mit dem Gemetzel begonnen, und hier saß ich nun und sehnte die Wiederkehr des Datums herbei. Wie konnte man so was nur sagen? Warum waren denn nicht wenigstens fünftausend Dollar übrig?
    Doch Jim Jeffreys schüttelte wieder den Kopf. »Es ist nichts mehr zu machen, Libby. Wie alt bist du jetzt – dreißig? Eine erwachsene Frau. Für die Leute gehört das, was du erlebt hast, der Vergangenheit an, die Sache ist abgehakt. Jetzt wollen sie anderen kleinen Mädchen helfen, nicht …«
    »Nicht mir.«
    »Ja, ich fürchte, genauso ist es.«
    »Die Leute haben die Vergangenheit abgehakt? Wirklich?« Auf einmal fühlte ich mich schrecklich allein, im Stich gelassen, so, wie ich mich als Kind immer gefühlt hatte, wenn wieder mal eine Tante oder ein Cousin mich bei einer anderen Tante oder einem anderen Cousin abgesetzt hatte:
Ich bin fertig, jetzt bist du dran
. Eine Woche lang war die neue Tante oder der neue Cousin dann meistens richtig nett, bemühte sich um mich kleines verbittertes Wesen, und dann … Na ja, gewöhnlich war es meine Schuld. Wirklich, das ist kein Opfergeschwätz. Beispielsweise versprühte ich im Wohnzimmer eines Cousins eine Dose Haarspray und setzte es dann in Brand. Meine Tante Diane, mein Vormund, die Schwester meiner Mutter, meine heißgeliebte Tante, nahm mich ein halbes Dutzend Mal auf, ehe sie die Tür endgültig zumachte. Ich habe dieser Frau ziemlich übel mitgespielt.
    »Ich fürchte, es gibt immer wieder neue Morde, Libby«, dröhnte Jim Jeffreys weiter. »Die Menschen haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Ich meine, denk doch bloß mal daran, wie sie wegen Lisette Stephens durchdrehen.«
    Lisette Stephens war eine hübsche brünette Zwanzigjährige, die auf dem Heimweg vom Thanksgiving-Dinner bei ihrer Familie einfach verschwand. Ganz Kansas City machte sich auf die Suche nach ihr – man konnte die Nachrichten nicht anstellen, ohne von ihrem Foto angelächelt zu werden. Anfang Februar, nachdem sich einen Monat lang in dem Fall nichts getan hatte, wurde ihr Verschwinden dann überregional bekannt gemacht. Lisette Stephens war tot, das war inzwischen allen klar, aber niemand wollte der Erste sein, der das Handtuch warf.
    »Aber«, fuhr Jim Jeffreys fort, »ich glaube, alle würden sich freuen zu hören, dass es dir gutgeht.«
    »Na toll.«
    »Wie wäre es denn mit dem College?«, erkundigte er sich, während er einen Bissen Fleisch zermalmte.
    »Nein.«
    »Wie wäre es, wenn wir versuchen, einen Bürojob für dich zu finden, Aktensortieren und so weiter?«
    »Nein.« Ich zog mich in mein Schneckenhaus zurück. Ignorierte mein Essen und
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