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DARK MISSION - Fegefeuer

DARK MISSION - Fegefeuer

Titel: DARK MISSION - Fegefeuer
Autoren: Karina Cooper
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Teufel, Silas konnte ihn förmlich rattern hören. Sicher plante sie schon den nächsten Fluchtversuch.
    Er ließ sie gewähren, behielt stur die Straße im Blick. Die Geschwindigkeit, die der Wagen hier auf dem Karussell draufhatte, ließ nicht viel Spielraum für einen Sprung aus der Fahrerkabine. Nicht, wenn Jessica Leigh ihr Leben lieb war. Silas jedenfalls könnte die ganze beschissene Nacht so weiterfahren, wenn es denn sein musste.
    Straßen gab es dafür hier weiß Gott genug. Vierzehn Jahre waren vergangen, seit Silas zum letzten Mal die Stadt über das New-Seattle-Karussell verlassen hatte. Aber es fühlte sich an, als wäre er nie weg gewesen. In Serpentinen wand sich das Highwaysystem um die hoch in den Himmel hinaufragende Stadt. Ab- und Auffahrtrampen verbanden es mit jeder Ebene wie die Beine eines Tausendfüßlers, der sich um die Stadt gelegt hatte, um ihr, seiner Beute, die Luft abzupressen. Nur die Einheimischen wussten, wie man sich auf dem Scheißding zurechtfand. Silas ärgerte sich darüber, dass er immer noch wusste, welche Abfahrt ihn in welchem Bogen wohin führen würde. Kaum etwas hatte sich in all den Jahren geändert.
    Die Fahrt durch die verdreckten Straßen der unteren Stadtebenen hatte genügt, um Silas das klarzumachen. Die hoffnungslos Armen fristeten in diesen Unterebenen ihr Dasein am absoluten Existenzminimum, während die unverschämt Reichen ihre Leben in den oberen Ebenen selbstgefällig und glücklich in vollen Zügen genossen. Der einzige Ort, an dem man die Sonne – ehrliches, echtes Sonnenlicht – zu Gesicht bekam.
    Jeder, der das Glück hatte, in einer der Ebenen dazwischen zu landen, suchte sich Weidegründe in den zivilisierteren Ecken, in den Randregionen. Wie apathische Schafe, katalogisiert nach Nützlichkeit und dadurch in unterschiedliche Klassen eingeteilt: die Industriearbeiter, die Wanderarbeiter, die Mittelklasse mit ihren wenigen, sich nach dem Licht verrenkenden Bäumen und ihrem kleinen bisschen Sonne.
    Das ebeneneinwärts allgegenwärtige Neonlicht der mieseren Gegenden konnte man nicht als Zeichen für Zivilisiertheit verstehen. Gerade eben noch akzeptabel wie die wenig Klasse besitzende Klientel im Perch.
    Oder die dunklen Straßen der kirchlichen Waisendistrikte.
    Vierzehn Jahre hatten daran nicht viel geändert. Silas hasste diesen Seelenverkäufer von einer Stadt mit jeder Faser seines Herzens. Ebenso sehr, wie er seine Heimatstadt vermisste.
    »Kein Bedarf. Mir geht’s bestens.« Jessica Leighs kaltschnäuzige Behauptung brachte Silas ins Hier und Jetzt zurück. War auch verdammt nötig, wie er sich grimmig selbst ermahnte. Er musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Auf die Mission. Nicht auf die Vergangenheit. Und schon gar nicht auf den feinen Schwung von Jessica Leighs jetzt nicht mehr knallig angemalten Lippen.
    Oder die ultralangen Beine, die sie, wie Silas genau wusste, in diesen Jeans versteckte.
    Ach, zum Teufel! Mit einer ruckartigen Bewegung streckte Silas seiner unwilligen Beifahrerin das Taschentuch wieder entgegen. »Jetzt nimm das verdammte Ding schon!«, knurrte er. »Deine Lippe blutet.«
    Sie starrte ihn finster an und griff nach dem weißen Stück Stoff. Sie riss es ihm förmlich aus der Hand, wütend und ungeduldig. »Wer zum Teufel sind Sie?«, verlangte sie zu wissen. »Und woher kennen Sie meinen Namen?«
    Silas ließ einige Augenblicke verstreichen, in denen er sich wieder ganz auf die Straße konzentrierte. Diese Zeit brauchte er, um sich eine passende Antwort zurechtzulegen. Denn was ihm als Erstes eingefallen war, würde ihm nicht das Maß an Kooperationsbereitschaft einbringen, das er sich von Jessica Leigh sichern wollte.
    Je eher ihm gelänge, sie dazu zu bringen, mit ihm zu kooperieren, desto eher könnte er hier wieder weg.
    Kein schlechter Anfang. Die Frau zum Bluten zu bringen, die er mit allen Tricks dazu bewegen musste, die Mission zu unterstützen. Auf keinen Fall durfte er sie also wissen lassen, dass ihr Bruder der Erste auf der Liste war, die die Überschrift trug: Magiebesessene, die wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinzurichten sind . Er musste Jessica Leigh nach Strich und Faden belügen darüber, was dem Jungen bevorstand, sobald man ihn erwischte. Kein Problem.
    Und … Auftritt!
    »Ich heiße Silas Smith.« Stumm musterte Jessica Leigh ihn. Sein Taschentuch war ein weißer Fleck vor ihrem Kinn. »Ich bin Agent einer Bundesbehörde. Wir brauchen deine Hilfe.«
    Himmel, klang das lahm!
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