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dark canopy

Titel: dark canopy
Autoren: Jennifer Benkau
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Treppe hinunter. Er trug keinen Schutzanzug - ich musste nur an ihm vorbei ins Sonnenlicht gelangen und schon wäre ich gerettet. Doch er stand auf den Stufen weit über mir, das verschaffte ihm einen Vorteil. Seine Armbrust war bereits auf mich gerichtet. Ich versuchte, ihn zu täuschen, blieb auf dem Treppenabsatz stehen und presste mir die Hände vors Gesicht.
    »Bitte«, jammerte ich schrill und beschimpfte ihn in Gedanken aufs Übelste. Bitte halte mich für genauso beschränkt, wie du aussiehst. »Ich habe überhaupt nichts getan. Bitte ... meine Familie braucht nur etwas zu essen, nur ...« Ich schielte zwischen den Fingern hindurch. Er grinste schief. Mein Plan ging auf, der Einfaltspinsel war noch blöder, als ich dachte. Lässig kam er die Treppe zu mir herab, näherte sich mir auf beleidigend unvorsichtige Weise.
    »Ihr habt Ausgangssperre«, ließ er mich mit arroganter Stimme wissen. »Wir müssen dich bestrafen, das weißt du doch.«
    »Es tut mir leid.« In meinem Kopf übersetzte ich mein Gestammel mit: Es wird dir leidtun, Mistkerl.
    Er hob seine Armbrust. Der darin eingespannte spitze Bolzen berührte meine Wange, strich nah an meinem Ohr und meinen Hals entlang. Ich spielte mit, neigte mit einem zitternden Atemzug den Kopf zur Seite, als böte ich ihm meine Kehle dar. Sie liebten unterwürfiges Verhalten, zumindest sagten das die Älteren. Sein Grinsen wurde so dreckig wie der Tümpel, in den wir unser Abwasser leiteten. Wie alle Percents hatte er das Haar unterhalb der Schädelbasis kurz rasiert, das Deckhaar jedoch trug er lang, zu einem mit Fett eingeriebenen Zopf gebunden. Ein kurzer Zopf, das bedeutete, er war noch jung. Unerfahren. Gut.
    Die schräg stehenden Augen fixierten mich, ich erkannte die Bewegung der vertikalen, schlitzförmigen Pupillen in der anthrazitfarbenen Iris.
    Eine kleine, ruckartige Bewegung des Bolzens ritzte meine Haut auf. Es brannte und ich zog scharf die Luft ein. Um die Show aufrechtzuerhalten, rang ich mir ein Schluchzen ab. Er lehnte sich zu mir, seine Haut vibrierte und ich sah seine Zunge zwischen den geteilten Lippen, wie sie sich der kleinen Wunde entgegenstreckte.
    Ich zog den Dolch in einer fließenden Bewegung aus dem Ärmel. Zielte auf seinen Hals. Traf ihn in dem Moment, als er mein Blut ablecken wollte. Er wehrte meinen Schlag mit der Armbrust ab, der Bolzen löste sich und schlug in die Wand über mir ein. Seine Waffe fiel scheppernd zu Boden. Mein Dolch kratzte über seinen Arm, er keuchte schmerzerfüllt auf und ich setzte nach, indem ich ihm die Fingernägel meiner freien Hand quer übers Gesicht zog. Einen weiteren Schlag konnte ich nicht landen, er drosch mir in den Magen und ich krümmte mich und würgte. Schon riss er meinen Kopf an den Haaren zurück und zielte mit der Faust auf meine Nase. Im letzten Moment gelang es mir, den Dolch hochzureißen. Der Idiot boxte mitten in die Schneide. Die Wucht riss mir meine Waffe fast aus der Hand, doch ich hielt eisern dagegen und hörte seine Fingerknochen gegen den Stahl schaben. Jetzt schrie er auf. Eine wundervolle Melodie aus Schmerz in meinen Ohren.
    Die anderen Percents hämmerten gegen die Tür und in allen Wohnungen schrillten die Klingeln. Gleich würden sie das Gebäude stürmen, doch es gelang mir nicht, mich von meinem Gegner zu lösen. Er packte meine Kehle. Schlug meinen Hinterkopf gegen die Wand. Drückte so hart zu, dass mir schwarz und zugleich blendend weiß vor Augen wurde. Als letzten Farbklecks nahm ich den alten Feuerlöscher wahr, der direkt über ihm hing. Mein Messer fiel mir aus den Händen. Mit letzter Kraft riss ich den Arm hoch und zog am Schlauch des Feuerlöschers. Der schwere Zylinder fiel herunter, erwischte durch meinen Ruck den Percent an der Schulter, wodurch er kurz von mir abließ. Ich fand eine Sekunde Zeit, die Sicherungslasche abzureißen. Dann hielt ich den Atem an, rammte die pistolenähnliche Sprühvorrichtung in sein Gesicht und schoss ihm den Inhalt geradewegs in Mund und Nase. Es zischte und wir versanken in einer Pulverwolke. Er keuchte, der Idiot, er keuchte und japste; während ich die Luft anhielt. Ich sah ihn vor mir in die Knie gehen, tastete am Boden nach meinem Messer und fand es wie durch ein Wunder sofort. Noch einmal hieb ich mit der Klinge nach seinem im Staub verborgenen Schemen, doch ich traf ihn nicht.
    Da mir die Luft ausging, stürzte ich an dem Percent vorbei und rannte die Treppen hoch. Keine Sekunde zu spät, denn unten hatte man den Kampf
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