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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
Autoren: Mark Lawrence
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Ritzen in seiner Rüstung fanden. »Schnell! Zieht dies zur Seite!«
    »Tot«, flüsterte jemand hinter Sir Reilly, als er mich frei schnitt.
    »Er ist so bleich.«
    Ich schätze, ich bin im Hakendorn beinahe verblutet.
    Die Männer holten einen Karren und legten mich darauf. Ich schlief nicht. Ich beobachtete, wie der Himmel dunkel wurde, und dachte nach.
    Im Heilsaal schnitten mir Bruder Glen und sein Helfer Inch die Dornen aus dem Leib. Sie hatten die Messer in der Hand, und ich lag auf dem Tisch, als Lundist eintraf, mein Lehrer. Er kam mit einem Buch so groß wie ein Teutonenschild, und dreimal so schwer, wie’s aussah. Lundist war kräftiger, als sein verschrumpelter dürrer Körper vermuten ließ.
    »Ich hoffe, du hast die Messer in Feuer gereinigt, Mönch?« Lundist sprach mit dem Akzent seiner Heimat im Äußersten Osten und neigte dazu, die Hälfte eines Wortes unausgesprochen zu lassen, als sollte ein intelligenter Zuhörer imstande sein, die Lücken selbst zu füllen.
    »Es ist die Reinheit des Geistes, die Fäulnis vom Fleisch fernhalten wird, Lehrer«, erwiderte Bruder Glen. Er warf Lundist einen missbilligenden Blick zu und machte sich dann daran, die nächsten Dornen herauszuschneiden.
    »Trotzdem, säubere die Messer, Mönch. Das Heilige Amt schützt kaum vor dem Zorn des Königs, wenn der Prinz in deinem Saal stirbt.« Lundist legte sein Buch neben mir auf den Tisch, und ich hörte, wie einige Meter entfernt ein Gestell mit Ampullen rasselte. Er schlug das große Buch an einer markierten Stelle auf.
    »›Die Dornen des Hakendorn finden oft den Knochen.‹« Lundist strich mit einem gelben Finger über die Zeilen. »›Die Spitze kann brechen und das Fleisch entzünden.‹«
    Bruder Glen stieß plötzlich zu, und mir sprang ein schmerzerfüllter Laut aus dem Mund. Der Mönch legte das Messer beiseite und wandte sich an Lundist. Ich sah nur seinen Rücken, den braunen Stoff, der sich an den Schultern spannte, mit dunklen Flecken von Schweiß.
    »Lehrer Lundist«, sagte Bruder Glen, »ein Mann deines Standes mag glauben, dass alles Wissenswerte den Seiten eines Buches entnommen werden kann, oder der richtigen Schriftrolle. Das Lernen hat durchaus seinen Sinn, mein Herr, aber bitte halt mir keine Vorträge übers Heilen, nur weil du einen Abend mit einem Folianten verbracht hast.«
    Bruder Glen setzte sich durch, und der Wachmann »half« Lehrer Lundist aus dem Saal.
    Selbst im Alter von neun Jahren musste ich einen erheblichen Mangel an geistlicher Reinheit gehabt haben, denn meine Wunden entzündeten sich innerhalb von zwei Tagen, und neun Wochen lang lag ich im Fieber, geplagt von dunklen Träumen, an der Grenze des Todes.
    Man erzählt mir, wie ich schrie und heulte. Getobt soll ich haben, als Eiter aus den Schnitten quoll, in denen die Dornen gesteckt hatten. Ich erinnere mich an den Gestank der Fäulnis. Er hatte etwas Süßes, eine Süße, bei der man kotzen möchte.
    Inch, der Helfer des Mönchs, wurde müde, mich festzuhalten, obgleich er die Arme eines Holzfällers hatte. Schließlich banden sie mich ans Bett.
    Von Lehrer Lundist erfuhr ich, dass Bruder Glen nach der ersten Woche nicht mehr zu mir kam, weil ein Teufel in mir stecke, wie er meinte. Wie sonst könne einem Kind so Schreckliches von den Lippen kommen?
    In der vierten Woche entkam ich den Stricken, die mich ans Bett fesselten, und setzte den Saal in Brand. Ich erinnere mich nicht an meine Flucht, auch nicht daran, wie man mich im Wald fand. Als sie in den Trümmern suchten, fanden sie die Reste von Inch, mit dem Schürhaken des Kamins in seiner Brust.
    Oft stand ich an der Tür zum Jenseits. Ich hatte gesehen, wie man meine Mutter und meinen Bruder durch jene Tür warf, blutig und zerbrochen, und in den Träumen trugen mich meine Füße immer wieder dorthin. Mir fehlte der Mut, ihnen zu folgen; an den Dornen der Feigheit hielt ich fest.
    Manchmal sah ich das Land der Toten jenseits eines dunklen Flusses oder auf der anderen Seite einer tiefen Schlucht, von einer schmalen Steinbrücke überspannt. Einmal sah ich die Tür in Gestalt des Portals, das in den Thronsaal meines Vaters führte, aber voller Raureif und Eiter, der aus allen Ritzen drang. Etwas zwang mich, die Hand auf die Klinge zu legen …
    Graf Renar hielt mich am Leben. Das Versprechen seiner Pein zertrat meine eigene unter ihrem Stiefel. Hass hält einen am Leben, wenn Liebe versagt.
    Und dann, eines Tages, verließ mich das Fieber. Meine Wunden blieben zornig und
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