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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
Autoren: Mark Lawrence
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Ich war dumm zu jener Zeit, erst neun Jahre alt, und ich wollte sie beide retten. Aber die Dornen hielten mich fest. Seitdem weiß ich Dornen zu schätzen.
    Die Dornen lehrten mich das Spiel und dessen Regeln. Sie ließen mich verstehen, was all diese grimmigen und ernsten Männer, die im Hundertkrieg gekämpft haben, erst noch lernen müssen. Man kann das Spiel nur gewinnen, wenn man weiß, dass es ein Spiel ist. Man lasse einen Mann Schach spielen und sage ihm, jeder Bauer sei sein Freund. Man lasse ihn glauben, beide Läufer seien schnell. Man lasse ihn sich an glückliche Zeiten im Schatten seiner Burg erinnern und die Königin lieben. Und man beobachte, wie er alle Figuren verliert.
    »Was hast du für mich, totes Ding?«, fragte ich.
    Es ist ein Spiel. Ich werde die richtigen Spielzüge tun.
    Ich fühlte den Geist kalt in mir. Ich sah seinen Tod. Ich sah seine Verzweiflung. Und seinen Hunger. Und ich ließ ihn los. Ich hatte mehr erwartet, aber er war nur tot.
    Ich zeigte ihm die leere Zeit, den Ort, den meine Erinnerungen mieden. Dorthin ließ ich ihn sehen.
    Da floh er. Er lief, und ich verfolgte ihn. Aber nur bis zum Rand des Sumpfes. Denn es ist ein Spiel, und ich werde es gewinnen.

 
5
     
    Vier Jahre zuvor
     
    Für eine ganze Weile schoben die Gedanken an Rache alles andere beiseite. Die erste Folterkammer baute ich in den dunklen Gewölben meiner Fantasie. Ich lag im Heilsaal auf blutigen Laken und entdeckte Türen in meinem Geist, die ich bis dahin nicht gesehen hatte, Türen, von denen ein neunjähriges Kind nicht wissen sollte, wie man sie öffnet. Türen, die sich nie wieder schlossen.
    Ich stieß sie weit auf.
    Sir Reilly fand mich im Dornenstrauch, keine zehn Meter von den qualmenden Resten der Kutsche entfernt. Fast hätten sie mich nicht gefunden. Ich sah, wie sie die Leichen auf der Straße erreichten. Ich beobachtete sie durch die Dornen, sah den silbrigen Glanz von Sir Reillys Rüstung und das Rot von den Wämsern der ankrathischen Fußsoldaten.
    Mutter war leicht zu erkennen, ganz in Seide.
    »Heiliger Jesus! Es ist die Königin!« Sir Reilly gab Anweisung, sie umzudrehen. »Vorsichtig! Zeigt Respekt …« Er schnappte nach Luft. Die Männer des Grafen hatten Mutter nicht besonders schön zurückgelassen.
    »Sir! Der Große Jan liegt hier, und auch Grem und Jassar.« Ich sah, wie sie Jan umdrehten, dann auch die beiden anderen Wächter.
    »Sie sollten besser tot sein!«, zischte Sir Reilly. »Sucht die Prinzen!«
    Ich sah nicht, wie sie Will fanden, aber ich wusste, dass sie ihn fanden, denn plötzlich breitete sich Stille unter den Männern aus. Ich ließ mein Kinn auf die Brust sinken und beobachtete die dunklen Blutflecken auf den trockenen Blättern zu meinen Füßen.
    »Lieber Himmel …«, murmelte einer der Männer.
    »Legt ihn auf ein Pferd, aber vorsichtig«, sagte Sir Reilly. Seine Stimme brach. »Und sucht den Erben!« Mit mehr Nachdruck, aber ohne Hoffnung.
    Ich versuchte zu rufen, aber die Kraft hatte mich verlassen. Ich konnte nicht einmal mehr den Kopf heben.
    »Er ist nicht hier, Sir Reilly.«
    »Sie haben ihn als Geisel genommen«, sagte Reilly.
    Irgendwie war richtig, was er sagte. Etwas hielt mich gegen meinen Willen fest.
    »Legt ihn neben die Königin.«
    »Vorsicht! Geht sanft mit ihm um …«
    »Bindet sie fest«, sagte Sir Reilly. »Wir reiten schnell zur Hohen Burg.«
    Ein Teil von mir wollte sie ziehen lassen. Ich fühlte keinen Schmerz mehr, nur ein dumpfes Stechen, und selbst das ließ nach. Frieden umgab mich, mit dem Versprechen von Vergessen.
    »Sir!«, entfuhr es einem der Männer.
    Ich hörte das Klirren und Klappern einer Rüstung, als Sir Reilly näher stapfte und sich etwas ansah.
    »Ein Stück von einem Schild?«, fragte er.
    »Hab’s im Schlamm gefunden. Das Kutschenrad muss es in den Dreck gedrückt haben.« Die Stimme des Soldaten verklang. Ich hörte ein Kratzen. »Sieht nach einem schwarzen Flügel aus.«
    »Eine Krähe«, sagte Reilly. »Eine Krähe auf rotem Grund. Das sind Graf Renars Farben.«
    Graf Renar? Ich hatte einen Namen. Das Hoheitszeichen erschien vor meinem inneren Auge, tief eingebrannt von den Blitzen des Gewitters der vergangenen Nacht. Ein Feuer brannte in mir, und der Schmerz von hundert Dornen glühte in jedem Glied. Ein Stöhnen entrang sich meiner Kehle. Ich spürte, wie sich meine Lippen teilten und trockene Haut nachgab.
    Und Reilly fand mich.
    »Da ist etwas!« Ich hörte ihn fluchen, als die Dornen des Gestrüpps alle
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