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Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4
Autoren: Marion Chesney
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ihr sprach. Wie erstaunlich dumm, diese
ganzen Leiden mitzu machen, statt einfach zu fragen, woher das verdammte Baby
kam.
    In Gedanken versunken rückte er seinen Biberhut zurecht und ging in den
Nebel hinaus.
    Daphne schlief
nicht. Sie machte sich Sorgen um die verschwundene Betty. Lady Godolphin mußte
es erfahren und auch die Behörden. Daphne hatte die Diener befragt und war
entsetzt, als sie erfuhr, daß Betty schon seit Tagen vermißt wurde. Sie hatte
angenommen, daß das beleidigte Mädchen sich einfach von ihr fernhielt und aus
irgendeinem Grund ihre Pflichten als Kammermädchen nicht erfüllte.
    Daphne ging
wieder hinunter. Das Haus war still. Lady Godolphin war nicht in ihrem
Schlafzimmer.
    Sie stieß
die Tür des Salons auf.
    Was sie da
sah, erschütterte sie so sehr, daß sie das Gefühl hatte, eine Ewigkeit nur
dazustehen und zu starren, obwohl es doch in Wirklichkeit nur ein paar Sekunden
waren.
    Dann raste
sie aus dem Zimmer. Ihr Herz schlug heftig, und sie rang mühsam nach Atem.
    An wen
konnte sie sich jetzt noch wenden, da ihre einzige Stütze sie auch verlassen
hatte? Jetzt, da diese einzige Stütze mit Colonel Arthur Brian eine besondere
Art von nacktem Froschhüpfen spielte?
    Hopeworth
war sehr weit weg.
    Minerva!
    Sie hätte
sich gleich an Minerva wenden sollen. Jetzt, wo sie ihren Vater einer solch
ungeheuerlichen Sünde nicht mehr für fähig hielt, sehnte sich Daphne nach
Minervas ruhiger Stimme und besänftigender Art.
    Sie ging
auf ihr Zimmer zurück und zog sich modischer an: ein Merinokleid mit einem
dicken grauen, damastbesetzten Umhang, York-Lederhandschuhe und einen schicken
Hut.
    Sie
klingelte nach Mica und bat darum, daß die Kutsche gebracht werde. Dann ging
sie so geräuschvoll wie möglich nach unten und hatte doch Angst, daß die Türe
zum Salon aufgehen könnte und ihr dieser schreckliche Anblick noch einmal
drohte.
    Obwohl
Minerva nicht weit weg wohnte, brauchte die Kutsche lange. Der Nebel war so
dicht geworden, daß sie sich vorsichtig hinter zwei Lakaien, die mit Fackeln
vorausgingen, einen Weg suchen mußte.
    Als sie bei
Minervas Haus angekommen waren, war Daphne ganz
durchgefroren, obwohl ihre Knie unter dicken Kutschendekken aus Pelz steckten
und ihre Füße auf einem heißen Ziegelstein standen.
    Sie hatte
das Gefühl, daß sie es nicht ertragen würde, wenn sich herausstellen sollte,
daß Minerva nicht zu Hause war.
    Aber
Minerva war da, und ihren Augen entging das weiße, angespannte Gesicht Daphnes
nicht.
    Sie brachte
sie voller Sorge in den unteren Salon und befahl den Dienern, einen Glühwein zu
bringen und das Feuer neu anzufachen. Daphne kuschelte sich in einen Sessel.
Ihre Zähne klapperten, während Minerva vor ihr kniete und ihr die Hände rieb,
um sie zu wärmen.
    Minerva war
voller Angst und schuldbewußt. Es war offenbar etwas Schreckliches geschehen,
und der Anblick der unglücklichen, zitternden Daphne erinnerte sie an die
kleine Daphne, so wie sie gewesen war, bevor sie sich in ihre eigene Schönheit
verliebt hatte.
    »Nun, was
ist passiert?« fragte Minerva zärtlich. »Es kann gar nichts so schlimm sein,
als daß wir es nicht in Ordnung bringen könnten. Sylvester ist in seinem Club.
Willst du, daß ich nach ihm schicke?«
    Daphne
schüttelte den Kopf, eine große Träne rollte ihr die Wange hinunter.
    Minerva
stand auf und knüpfte die Bänder von Daphnes Hut auf. Sie strich ihr liebevoll
das Haar aus der Stirn.
    »Du mußt
mir sagen, was dich bekümmert, Daphne. Wie könnte ich dir sonst helfen?«
    Daphne
schluckte und schluchzte und ließ die ganze Geschichte aus sich herausströmen.
Obwohl sie so bekümmert war, blieb Daphne nichts anderes übrig als zu bemerken,
daß Minerva zu ihrem Erstaunen nicht im geringsten schockiert wirkte.
    In
Wirklichkeit war Minerva aber zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu
beschimpfen, daß sie Daphnes Wohlergehen so haarsträubend vernachlässigt
hatte, weil sie ihre Schwester nur nach dem äußeren Schein beurteilt hatte.
    Minerva
wurde heftig an die Schrecken ihres eigenen ersten Aufenthalts in London erinnert.
Die Vorstellung, daß ihr Vater Inzest begangen haben könnte, war so absurd, daß
sie das Bedürfnis hatte, zu lächeln. Aber sie konnte gut verstehen, wie ein so
naives und unschuldiges Mädchen, das alle möglichen Gerüchte hörte, eine
solche Geschichte glauben konnte, und sie verstand auch ihre wilde
Entschlossenheit, die Familie ganz allein zu beschützen.
    »Aber was
ist mit Lady Godolphin
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