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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre
Autoren: Stephen King
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Übers.)
    gestochener Vorstellungen in Siegels Filmversion hineininterpretiert. Man bezeichnete ihn als Anti-McCarthy-Film, bis jemand darauf hinwies, daß man Don Siegels politische Anschauung kaum als linksorientiert betrachten konnte. Dann
fingen die Filmkritiker an, ihn als einen »Lieber-tot-als-rot«Film zu sehen. Ich finde, daß von diesen beiden Vorstellungen die letztere besser zu dem Film paßt, den Siegel gedreht
hat, dem Film, der damit endet, daß Kevin McCarthy mitten
auf einer Autobahn steht und den Autos, die an ihm vorbeifahren, zuruft: »Sie sind schon hier! Ihr seid die nächsten!«
Tief in meinem Herzen glaube ich jedoch nicht, daß Siegel
wirklich einen politischen Hut aufhatte, als er den Film
drehte (und Sie werden später herausfinden, daß Jack Finney
das auch nie geglaubt hat); ich glaube, er hatte einfach seinen
Spaß, und die Untertöne …, die kamen einfach.
    Das beeinträchtigt nicht die Vorstellung, daß Invasion of
the Body Snatchers ein allegorisches Element enthält; es zeigt
lediglich, daß diese Druckpunkte, diese Grenzen der Angst,
manchmal so tief verborgen und dennoch so vital sind, daß
wir sie wie artesische Brunnen anzapfen können - wir sprechen etwas laut aus, während wir etwas anderes mit einem
Flüstern ausdrücken. Die Philip-Kaufman-Version von Finneys Roman macht Spaß (wenn auch, um gerecht zu sein,
nicht ganz soviel Spaß wie die von Siegel), aber dieses Flüstern hat sich in etwas vollkommen anderes verwandelt: Der
Subtext von Kaufmans Film scheint die gesamte »Ich-binokay-du-bist-okay-also-laß-uns-zusammen-in-die-Warmwasserbadewanne-hüpfen-und-unser-kostbares-Bewußtsein-massieren«-Bewegung der egozentrischen siebziger Jahre auf die
Schippe zu nehmen. Was beweist, daß die unbehaglichen
Träume des Massenunterbewußtseins sich von Jahrzehnt zu
Jahrzehnt wandeln können, die Pipeline in diesen Brunnen
der Träume aber konstant und vital bleibt.
    Dies ist der wahre Danse Macabre, vermute ich: diese bemerkenswerten Augenblicke, wenn es dem Schöpfer einer
Horror-Story gelingt, mit einer einzigen gehaltvollen Idee
den bewußten und unterbewußten Verstand zu vereinen. Ich
bin der Meinung, das war zu einem größeren Ausmaß in der
Siegeischen Version von Invasion of the Body Snatchers der
    Fall, aber natürlich konnten sowohl Siegel als auch Kaufman
nur dank Jack Finney arbeiten, der den ursprünglichen Brunnen gegraben hat.
Was uns, finde ich, wieder zu jenem warmen Herbstnachmittag des Jahres 1957 im Stratford Theater zurückbringt.
     
3
    Wir saßen wie Marionetten auf unseren Stühlen und sahen
den Geschäftsführer an. Er sah nervös und bläßlich aus - vielleicht lag das aber auch nur an den Scheinwerfern. Wir saßen
da und fragten uns, welche Art von Katastrophe ihn veranlaßt
haben könnte, den Film genau dann anzuhalten, als er sich
der Apotheose aller Samstagnachmittagsvorstellungen näherte, »dem guten Teil«. Und die Art, wie seine Stimme zitterte, als er zu reden anfing, trug nicht dazu bei, das Wohlbefinden der Anwesenden zu erhöhen. »Ich möchte Ihnen mitteilen«, sagte er mit dieser zitternden Stimme, »daß die Russen einen Weltraumsatelliten in die Erdumlaufbahn geschossen haben. Sie nennen ihn … Sputnik.«
    Dieser Meldung folgte absolutes, grabähnliches Schweigen. Wir saßen einfach nur da, ein Kino voller Kinder der
fünfziger Jahre, mit Bürstenschnitten, Zauseschnitten, Pferdeschwänzen, Zöpfen, Reifröcken, Bundfaltenhosen, Jeans
mit Umschlägen, Captain-Midnight-Ringen; Kinder, die gerade Chuck Berry und Little Richard in New Yorks einzigem
schwarzen Rhythm-and-Blues-Sender entdeckt hatten, den
wir nachts empfangen konnte, an- und abschwellend wie eine
starke Swingstimme von einem fernen Planeten. Wir waren
die Kinder, die mit Captain Video und Terry and den Pirates
aufgewachsen waren. Wir waren die Kinder, die in Comics gesehen hatten, wie Combat Casey unzähligen nordkoreanischen Schlitzaugen die Zähne ausgetreten hatte. Wir waren
die Kinder, die gesehen hatten, wie Richard Carlson Tausende dreckiger Kommunistenspione in I Led Three Lives gefangen hatte. Wir waren die Kinder, die jedes einen Vierteldollar zusammengekratzt hatten, um Hugh Marlowe in Earth
vs. the Flying Saucers zu sehen, und die diese beunruhigende
Neuigkeit als eine Art garstigen Bonus bekommen hatten.
    An eines erinnere ich mich ganz deutlich: Eine schrille
Stimme schnitt durch das gräßliche tote Schweigen, ich weiß
nicht, ob es die eines Jungen oder eines
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