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Dance of Shadows

Dance of Shadows

Titel: Dance of Shadows
Autoren: Yelena Black
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ist?«, hatte ihre Mutter geflüstert und damit ausgesprochen, was sie alle fürchteten.
    Vanessa setzte sich und lehnte den Kopf an die Schulter ihrer Mutter. »Vielleicht braucht sie die ja einfach nicht mehr.« Sie weigerte sich zu glauben, dass ihre Schwester tot war.
    Danach hatten Vanessa und ihr Vater versucht, ihr Leben wieder aufzunehmen, während ihre Mutter einen ganzen Monat ihr Bett kaum verließ. Sie duschte nicht mehr und zog sich nicht mehr an, sie ließ ihr Essen unberührt stehen und weigerte sich sogar, klassische Musik zu hören. Da wusste Vanessa, dass es wirklich schlecht um sie stand.
    An einem trostlosen Freitag holte Vanessa ihre Ballettschläppchen aus dem Schrank und tanzte auf Spitzen ins Elternschlafzimmer, wo ihre Mutter bewegungslos unter der Bettdecke zusammengerollt lag. Und während der Regen gegen die Fensterscheiben schlug, tanzte Vanessa und ließ die ganze Trauer aus sich herausströmen, bis sie nur noch ihren Herzschlag spürte.
    Langsam setzte ihre Mutter sich auf.
    Bald fuhr sie Vanessa wieder zur Ballettstunde, wie sie es immer getan hatte. Dann verkündete Vanessa eines Tages, sie wolle sich auch an der New Yorker Ballettakademie bewerben. Ihre Mutter warschockiert. Sie sah Vanessa sehr gern beim Tanzen zu, aber sie hatte nie gedacht, dass Vanessa das Ballett genug liebte, um in Margarets Fußstapfen zu treten. Dieses Kapitel im Leben ihrer Familie sei nun abgeschlossen, hatte sie gesagt.
    Aber für Vanessa war nichts abgeschlossen. Mithilfe ihres Vaters bewarb sie sich an derselben Schule, von der Margaret verschwunden war, denn sie wollte nicht nur tanzen, sondern auch ihre Schwester finden. Vanessa gehörte hierher – in diese Schule, in dieses Leben, das auch ihre Mutter und Margaret einst geführt hatten.
    Jetzt zog ihr Vater einen Karton heran und setzte sich neben Vanessa. »Ich meine es ernst«, sagte er. »Ich weiß, dass du eine sehr talentierte Tänzerin bist. Ich will mir nur sicher sein, dass du auch glücklich bist.«
    »Ich
bin
glücklich«, sagte Vanessa.
Mehr oder weniger
, sagte sie sich selbst. Mit dem Glück war es immer so eine Sache.
    »Wer ist glücklich?«, fragte ihre Mutter, und die beiden schraken zusammen, als sie durch die Tür trat und sich mit einem Taschentuch über die Augen wischte. Das tat sie immer: Sie schlich sich ständig an die Leute heran und belauschte sie – und für Vanessa war das eine enorme Belastung.
    »Ich bin glücklich.« Vanessa zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin glücklich, dass ich hier bin.«
    »Natürlich bist du das«, sagte ihre Mutter traurig. »Es ist die beste Ballettschule der Welt. Hier ist die Elite zu Hause.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, aber es konnte die Sorgenfalten auf ihrer Stirn nicht überdecken. »Ich habe mir gerade Margarets altes Zimmer angeschaut.« Ihr versagte die Stimme, und Vanessas Vater nahm sie in den Arm. »Versprich mir, dass du nie irgendwelche Drogen oder Medikamente nehmen wirst. Nicht einmal Aspirin. Ganz egal, wie sehr dir die Füße wehtun.«
    »Darum musst du dir keine Sorgen machen«, sagte Vanessa. Siewusste, dass andere Mädchen Schmerzmittel benutzten, aber ihre Füße waren so taub und schwielig, dass sie es wahrscheinlich nicht einmal merken würde, wenn sie sich einen Nagel durch den Zeh schlug.
    Einige Zeit später, als alle Umzugskartons leer geräumt waren, umarmte ihr Vater sie lang und fest. »Ruf mich an, wenn du irgendetwas brauchst, was auch immer«, flüsterte er. »Auch wenn du nur ein bisschen reden möchtest.«
    Vanessa war überrascht, wie sanft die Stimme ihres Vaters war, und schmiegte sich in seine Arme. Als sie den Duft seines Rasierwassers roch, begriff sie, dass jetzt der Moment gekommen war. Obwohl sie den ganzen Tag damit zugebracht hatte, ihre Sachen auszupacken, wurde ihr erst jetzt richtig bewusst, dass sie nicht mit ihnen zurück nach Hause fahren würde. Vanessa drückte die Wange gegen seinen Kragen. »Das werde ich tun.«
    »In Ordnung«, sagte ihre Mutter. »Jetzt bin ich dran.« Und ehe Vanessa sichs versah, zog ihre Mutter sie an sich, drückte sie fest und vergrub ihr Gesicht in Vanessas Haar. »Ich werde dich sehr vermissen«, sagte sie und wiegte sie leicht hin und her. »Du wirst das hier ganz wunderbar machen, das weiß ich einfach.«
    Vanessa wagte es, ihre Arme um den schlanken Körper ihrer Mutter zu legen. »Danke, Mom.«
    Als ob sie plötzlich merkte, was sie da tat, ließ ihre Mutter sie los und trat einen Schritt zurück.
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