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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Völkern klaffte. Heute überrascht es mich nicht, wenn ein junger israelischer Offizier mit einem unschuldigen Gesicht vor der Kamera im Gazastreifen erzählt, wie er den Bewohnern von Gaza die Zivilisation gebracht hat. Er merkt nicht, dass seine Aussage von einer makabren Komik ist, weil er daran tatsächlich glaubt. Zurück zu Ihrer Aussage. Sie ist leider richtig.Beide Völker, die Araber und die Juden, haben ein so katastrophal gutes Gedächtnis. In diesem Gedächtnis sind nur Bilder der Vergangenheit und der Zukunft gespeichert. Sie sind so absolut und präzise, dass sie so niemals stimmen können. Ihr gigantisches Volumen erdrückt die Gegenwart zu einem dünnen Streifen. Sie ist so brüchig, dass sich beide Völker auf ihr mit unsicheren Füßen bewegen und alsbald ausrutschen und Geborgenheit in den Festungen der Vergangenheit suchen. Der eine sagt Mas’ada, der andere antwortet mit Hittin. Der eine schwärmt von David und seiner Schleuder, der andere von Salahaddin und seiner legendären Großzügigkeit gegenüber Verlierern. Diese Bilder und Metaphern sind nicht nur so dahergesagt, sondern genau bemessen, und sie beinhalten eine genaue, aber verschlüsselte Antwort auf die Gegenwart. Sie sind aber eine Flucht aus der aktiven Geschichte, deren Bestandteile die Gegenwart schmiedet. Die Reserven beider Völker an Bildern und Metaphern der Vergangenheit sind unerschöpflich, wie sollte es anders sein bei zwei so alten Völkern. Niemand Geringerer als Nahum Goldmann soll einmal gesagt haben: Unser Problem besteht darin, ein Volk als Feind zu haben, das genau wie wir nichts vergisst.
    Nun, Sie versuchen den Araber so zu zeigen, wie er ist, doch Sie schwanken zwischen dem jahrzehntealten Gefühl des Siegers und dem etwas jüngeren Gefühl der berechtigten Angst vor der immer düsterer werdenden Zukunft des Landes und beider Völker. Das ist der Grund, weshalb Ihr Bild vom Palästinenser nicht scharf geworden ist.
    Es ist sicherlich schrecklich, dass Kinder mit drei Jahren durch die Tritte der Soldaten politisiert werden und damit um ihre Kindheit betrogen werden. Sie aber verstehen das überhaupt nicht, sondern verhören die Kinder so lange, bis sie sagen, dass sie auf Juden schießen, weil diese ihre Schwester,ihren Onkel oder Vater abgeschleppt haben. Erst hier ergibt sich die psychologische Situation, die Ihnen im Grunde Ruhe schenkt: der verfolgte Verfolger. Danach fangen Sie an, moralisch zu predigen und zu erpressen: »Ist das die Lösung? Eine Generation nach der anderen im Hass zu erziehen? Ihnen beizubringen, dass dieser Hass Grund genug ist, um auf alle Friedensbemühungen zu verzichten? Können sie nicht einen anderen Weg einschlagen?« (S. 28 ff.) Das ist nicht einmal böser Wille. Es ist nur so, weil Sie die anderen Seiten des Nachbarn nicht sehen wollten oder konnten. Ein Araber ist genauso kriegerisch oder friedlich wie ein Jude. Ihre Aufforderung, sie sollen friedlich sein, wird ein Ruf in der Wüste bleiben, weil Sie eine Grundregel übersehen: Der Besiegte weiß, dass der Sieger Frieden braucht. Seine einzige Chance besteht eben-darin, Unfrieden zu stiften.
    Eine Mischung aus Angst und Schuldgefühl verzerrt die Konsequenzen, die Sie aus Ihren oft richtigen Beobachtungen ziehen. Man könnte viele Stellen Ihres Buches aufgreifen und eine scharfe Polemik gegen Ihre Anschauung über Terror, Frieden und Gusch Emunim führen, doch das ist nicht meine Absicht. Ich bleibe deshalb bei einem der neutralsten Beispiele, die Ihr Buch beinhaltet: Im oben erwähnten Kindergarten beschreiben Sie die Misere, in der er sich befindet, aber schauen Sie, wie Sie den Zustand des alten, verbrauchten Spielzeugs kommentieren: »Zwei kleine Schachteln mit alten, verblichenen Spielsachen, die irgendjemand irgendwann einem gestiftet hat. Nicht ein einziges Spielzeug ist ganz. Kein einziges Auto hat Räder, den Puppen fehlen Arme und Beine. Gnade wird hier nicht geübt.« (S.30) Einfacher wäre die Feststellung: Hier mangelt es an Geld!
    Ihr Buch hat mich in seiner Trauer manchmal fast erstickt. Ich legte es hin und verfluchte die Israelis, doch dann nahmich es wieder und las weiter, und bald wurde ich mit einem Lächeln belohnt. Ich lächelte über Ihre übertriebene Begeisterung für die fleißigen Araber. So z.B. in Bethlehem. Sie verführen mich, Ihnen zu unterstellen, dass Sie mit der Vorstellung hingegangen sind, messerstechende Araber zu treffen und dann davon angenehm überrascht wurden, dass die arabischen
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