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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember
Autoren: Richard Paul Evans
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Feuer. Noch vor Beginn der nächsten Woche hatte ich meine Bewerbung bei der Wharton Business School eingereicht. In der Verwaltung der Wharton saß ein Investor, mit dem mein Vater seit langem befreundet war und der die Dinge beschleunigen konnte, und einen Monat später stiegen mein Vater und ich an Bord eines Flugzeugs nach Philadelphia, wo ich mein Bewerbungsgespräch führen sollte.
    Trotz meines anfänglichen Widerstands gefiel mir, was ich sah. Vermutlich hatte mein Vater recht – ein Teil von mir wollte sich hinauswagen und sehen, was es da draußen sonst noch gab. Ich wurde zum Studium zugelassen und immatrikulierte mich mit operativem Controlling und Datenverwaltung als Hauptfach.
    Eine Woche nach meiner Aufnahme flog ich erneut nach Philadelphia, um mir eine Unterkunft zu suchen. Ich fand ein Apartment im Sansom Place, einem Hochhaus, von dem aus man den Campus schnell zu Fuß erreichen konnte, und im folgenden August studierte ich wieder.
    Obwohl ich über zwanzig war, hatte ich in den ersten Wochen Heimweh. Ich lebte zum ersten Mal allein, und Philadelphia war eine fremde neue Welt für mich. Die traditionsreiche Stadt war voll von Menschen, und den größten Teil des Jahres war es dort kalt – so ganz anders als Arizona mit seiner trockenen Wüstenhitze. Wie gesagt, hatte ich mir ein eigenes Apartment im Sansom gemietet, eine zweischneidige Sache. Positiv war, dass ich meine Privatsphäre besaß. Aber leider hatte ich zu viel davon. In den ersten Wochen litt ich unter Einsamkeit. Ich ahnte nicht, wie sehr sich das bald ändern sollte.
    In meiner fünften Woche an der Wharton saß ich in einem Kurs über Führungskommunikation, als sich eine hübsche junge Frau, die zwei Stühle weiter auf meiner rechten Seite saß, plötzlich zu mir herüberlehnte, wobei ihr langes braunes Haar auf den leeren Stuhl zwischen uns fiel. »Hallo, ich bin Candace«, sagte sie. Sie hatte schöne, dunkle, mandelförmige Augen und war eine dieser Frauen, die man möglicherweise anstarren würde, wenn man wüsste, dass es niemand bemerkt.
    Ich sah reflexartig hinter mich, um nachzusehen, ob sie jemand anderen meinte. Sie lächelte. »Ich spreche mit dir«, sagte sie. »Wie heißt du?«
    »Luke.«
    »Hallo Luke. Ein paar Freunde von mir treffen sich heute Abend im Smokey Joe’s zu einer Lerngruppe. Willst du dich uns anschließen?«
    »Was ist Smokey Joe’s?«
    »Ein lokaler Treff, ziemlich bekannt. Du musst neu in Philly sein.«
    »Total neu«, bestätigte ich.
    »Ich auch. Magst du kommen?«
    »Ja, klingt toll.«
    »Gut. Wo wohnst du?«
    »Im fünfzehnten Stock des Sansom Place West.«
    »Wir sind Nachbarn. Ich wohne im dritten Stock. Wir können uns in der Lobby treffen und gemeinsam hingehen.«
    »Um wie viel Uhr?«
    »Gegen sechs?«
    »Toll.«
    »Toll«, wiederholte sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
    Ich ertappte mich dabei, dass ich während des gesamten restlichen Kurses lächelte.

Fünftes Kapitel
    Kluge Menschen können erfrischend oder ermüdend sein. Manchmal beides.
    Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
    An jenem Abend begab ich mich gegen fünf vor sechs nach unten in die Lobby des Gebäudes, in dem ich wohnte. Candace war nicht da. Gegen zehn nach sechs fragte ich mich, ob sie mich versetzen würde. Ich wollte gerade zurück in mein Apartment fahren, als sie aus dem Aufzug kam.
    Ich erkannte sie nicht sofort, weil sie sich umgezogen und die Haare nach hinten gebunden hatte. Sie trug eine teuer aussehende Jeans sowie eine kurze blaue Wildlederjacke, die ihr bis zur Taille reichte und ihre Figur betonte. Sie kam mit einem breiten Lächeln auf mich zu. »Entschuldige, dass ich mich verspätet habe. Meine Mitbewohnerin ist weinend nach Hause gekommen, und ich konnte sie nicht einfach sich selbst überlassen.«
    »Kein Problem«, meinte ich. »Du sagtest, dass es um eine Lerngruppe geht. Soll ich meine Bücher mitnehmen?«
    Sie lächelte schief. »Eigentlich ist es gar keine richtige Lerngruppe«, gestand sie. »Ich weiß nicht, warum wir sie so nennen. Vielleicht, weil wir uns dann nicht ganz so schlecht fühlen wegen all der Zeit, die wir verplempern. Wir haben uns größtenteils am ersten Wochenende während der Einführungsveranstaltungen kennengelernt, und seither treffen wir uns.« Ich folgte ihr nach draußen, wo wir uns Richtung Westen wandten. »Zum Smokey Joe’s geht’s hier lang.«
    Die Luft war frisch, und die Sonne verbarg sich hinter einer tief hängenden Wolkendecke. Während wir gingen, fragte
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