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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters
Autoren: Henning Mankell
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Gipsbüste von Hitler ausgepackt und auf dem schwarzen Flügel im großen Zimmer aufgestellt wird, von wo das gesamte Werksgelände zu sehen ist. Hinter einer Tür hört sie Ingenieur Ask vorsichtig fragen, ob das wirklich nötig sei, die Stadt sei ja immerhin klein und die Hausgehilfinnen hätten Augen und Ohren …
    Aber die Frau faucht wie eine gebrannte Katze, und ihr Mann fällt sofort in sein Gemurmel zurück. Elna legt weiterhin Dagens Eko , herausgegeben von der zweifelhaften Gesellschaft Manhem, zum Mittagstee von Frau Ask bereit.
    Der Krieg ist weit weg, aber auch sehr nah. Zu Hause ist für Vater natürlich alles klar. Hat nicht dieser Teufel einen Pakt mit dem Gorilla im Kreml geschlossen? Was bedeutet das? Stalin und Hitler, Kleiner Vater und Großer Vater, die einer dem anderen um den Bart gehen. Und das stützt die Kommunisten! Strategie nennen sie das? Landesbetrug und Hochverrat ist das! Da soll verdammt noch mal einer das Gegenteil behaupten!
    Elna versucht, das Ganze praktisch zu sehen. Das Milchgeschäft unten am Bahnhofshügel wird von der alten Frau Ekblom geführt. Sie hat einen Klumpfuß und trägt schwarze Stiefel mit unterschiedlich hoher Sohle. Weißhaarig und freundlich ist sie, stets bereit, Kredit zu gewähren, und sie gibt offen zu, Kommunistin zu sein.
    Landesverräterin?
    Elna hört zu und stellt Fragen, aber die Antworten sind zu hoch für sie. Ein Mann namens Hess, der nach Schottland fliegt, ist für Frau Ask ein verrückter Spion, für den Vater aber ein erstaunlich vernünftiger Überläufer, dafür, dass er Deutscher ist . Himmler, München, Reichskanzlei, Obersturmbannführer, Messerschmidt, nie irgendein Zusammenhang. Und Mutter, die nervös nach ihren Lebensmittelmarken greift und Skisocken strickt, als ob das Jüngste Gericht bereits vor der Tür stünde.
    Was macht Elna?
    Nun, schließlich schreibt sie an ihre Freundin Vivi und sagt klipp und klar, wie es ist, dass sie verwirrt ist. Es wird ein langer Brief.
    Zusammenhänge, Ursachen?
    Kann Vivi das alles erklären? Versteht sie mehr?
    Sie tauschen Briefe aus, versuchen, ihre Gedanken zu deuten,eignen sich die Klarheit und Übersicht an, die so verzweifelt notwendig scheint, um leben zu können, das komplizierte Leben zu verstehen.
    Es wird Frühling, Vivi und Elna sind siebzehn geworden, und diesen Sommer werden sie sich treffen, Krieg oder nicht. Die unruhigen Zeiten scheinen anzuhalten, die Ungeduld wird zu groß. Die Frage ist nur, wie sie sich treffen können. Keine von ihnen hat so etwas, was man Ferien nennen könnte. (Vivi riskiert, entlassen zu werden, wenn sie nur einen einzigen Tag krank ist, das hat sie der Freundin in Sandviken in einem wütenden Brief geschrieben, nach einer Mandelentzündung, die den Arbeitstag doppelt so anstrengend machte.) Der Weg zwischen Sandviken und Landskrona ist weit. Aber ein paar Kronen können sie immerhin sparen, Fahrräder kann man leihen, und vielleicht hat jemand sogar einen alten Schlafsack …
    Ein Zufall hilft ihnen. Eines Tages Anfang Mai 1941, als der Winter sich endlich zurückzuziehen beginnt und ein Frühling folgt, der die frierenden Menschen langsam wärmt. Eines Tages, als es trotz allem möglich scheint, wieder an frisches Grün und Sommervögel zu glauben, trifft das unerhörte Ereignis ein. Rune kommt die Treppe heraufgestapft, öffnet die Tür und sagt, dass ein Gruß von seinem Onkel aus Skallskog gekommen sei. Falls Runes Kinder Lust hätten, bei der Heuernte zu helfen, so seien sie willkommen.
    »Der hatte doch noch nie Familiensinn«, sagt Rune verwundert. »Aber jetzt ist es offenbar wichtig. Nun ja, der Krieg vereint. Aber er ist geizig, der Teufel, darum ist er wohl auf billige Hilfe aus. Vielleicht wurden seine Knechte einberufen. Da steht er jetzt vor der schrecklichen Situation, die Heugabel selbst in die Hand nehmen zu müssen.«
    Über den Onkel, den wohlhabenden Bauern aus Skallskog, haben sie nie viel gesprochen. Elna vermutet, dass einegrimmige Eifersucht auf den Bauernhofbesitzer, der immer Hühnerpitter genannt wird, der schleichende Grund ist. Mit böswilligen Spitznamen kann man immer zu vornehme oder gut betuchte Emporkömmlinge heruntermachen.
    »Es kann keine Rede davon sein, dass alle fahren«, bestimmt Rune energisch. »Aber du, Elna, hast vielleicht Lust. Und es würde den alten Geizkragen bestimmt ärgern, wenn da ein Mädel kommt statt meiner Söhne!«
    Na klar will sie! Und Rune sieht keinen Grund, warum Vivi nicht mitkommen sollte.
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