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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
Autoren: Helmut Schleich
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Restaurantpreise drüben in Prien, wie wir beim Mittagessen kurz vor Antritt unserer Inselrundfahrt feststellen mussten. Wenn der Schweinsbraten in einer der Touristenabfütterungsanstalten am See wenigstens sein Geld wert gewesen wäre, würde man ja nichts sagen, aber das faserig-trockene Etwas, das man uns nach einer halben Ewigkeit mit geschmacksneutraler Packerlsoße und Gummi-Kartoffelknödel auf den Tisch pfefferte, mochten wir nicht mal für den Hund mitnehmen. Als der Kellner Helmut beim Abräumen die mutmaßlich ironisch gemeinte Frage »Hat’s g’schmeckt?« stellte, antwortete der – zum ersten und bislang einzigen Mal in seinem Leben – mit einem lauten »Nein!« und bekam darauf prompt die von oberbayerischer Überheblichkeit strotzende Antwort: »Normal passiert des ned, aber jetzt hat’s Eana halt amoi dawischt!« Kein Versöhnungsschnapserl, kein Kaffee umsonst, gar nichts – möglicherweise besser so.
    Auf dieses Prien steuert unser Schiff jetzt am Ende der Rundfahrt wieder zu, und eines ist sicher: Zum Kaffeetrinken werden wir uns nicht noch einmal in die Fänge der Chiemgauer Gastronomie begeben. Obwohl, was den Niedergang der bayerischen Esskultur betrifft, ist man hier nicht allein. Der ist in ganz Bayern deutlich sichtbar und schmeckbar, nicht nur in seinen Fremdenverkehrsregionen.
    Das geht schon mit der Brezn los, dem Münchner Biergarten-Grundnahrungsmittel und der urbayerischsten aller bajuwarischen Backwaren. Früher mussten die Bäcker um drei Uhr aufstehen, um die Teigstränge geschickt zu verdrehen, in die Lauge zu tauchen und dann mit genau der richtigen Menge Salz zu bestreuen, bevor es ab in den Ofen ging. Wenn man diese handwerklich hergestellten Kunstwerke nicht gerade einem heißen, trockenen Saharawind aussetzte, konnte man sie mindestens einen Tag lang frisch genießen.
    Inzwischen haben die Rationalisierungsgenies der Unternehmensberatungen den Bäckern eingeredet, dass in Zeiten der fortschreitenden Globalisierung die Qualität ihrer Betriebe nicht mehr an der Güte ihrer Brezen und Semmeln gemessen wird, sondern an der Dichte ihrer Filialnetze.
    Seither schieben ungelernte Hilfskräfte Blech um Blech von in Rumänien oder Polen produzierten, mit Backchemie vollgestopften Teiglingen in ventilierende Heißluftöfen, welche die zu Backshops umfunktionierten Bäckereien ganz nebenbei in säuerlich riechende Dampf-Saunas verwandeln. Wie, wann und nach welchen Kriterien das Brezensalz auf diese meist recht unterschiedlich gebräunten Teigschlingen kommt, ist eines der letzten Geheimnisse unserer bis in den letzten Winkel enträtselten Welt. Mal sehen die Turbobrezen aus, als hätte die Weltgesundheitsbehörde im Zuge einer Kampagne gegen hohen Blutdruck jedes Salzkörnchen abzupfen lassen, mal könnte man mit einer einzigen von ihnen einen ganzen Kilometer Bundesstraße eisfrei machen. Immer aber fragt man sich bei ihrem Anblick, weshalb die Verkäuferinnen eigentlich Plastikhandschuhe tragen müssen, wenn sie solche Brezen in die Tüte stecken – kein Bakterium, das auch nur ein bisschen was auf sich hält, würde sich freiwillig auf einer dieser laugenbestrichenen Missgeburten ansiedeln.
    Aber wen interessiert heute noch eine »gscheide« Brezn? Die bayerische Alltagskulinarik haben wir mittlerweile exklusiv ausgelagert an einen Fernsehkoch, der aus Brezen Knödel macht und Weißwürste paniert, weil’s »nix Scheenas und nix Bessas gibt wia was Guads«, und dessen Konterfei man in Bayern heute öfter begegnet als dem Parkverbotsschild. Ganz gleich, ob Alfons Schuhbeck uns mit Bratwurst und Ingwer belegte Labbersemmeln als »McDonald’s Hüttengaudi« schmackhaft machen will oder sich in unzähligen Kochshows als selbst ernannter weiß-blauer Küchenpapst geriert: Wo immer er auch seinen Kochlöffel schwingt, danach ist so gut wie jeder davon überzeugt, dass Lukullus seine üppigen Gastmähler nicht in Rom, sondern in Waging am See abgehalten haben muss. Dass es in ganz Bayern so gut wie kein Gasthaus mehr geben dürfte, in dem die Kartoffelknödel noch selbst gerieben werden und dass das, was heute in der bayerischen Gastronomie direkt aus dem Großmarkt-Kübel als Kartoffelsalat auf die Teller kommt, zumeist jeder Beschreibung spottet, gerät im Glanz des Schuhbeck’schen Küchenzaubers zunehmend zum Randphänomen.
    Aber was soll’s? Hauptsach’, mir bleib’n mir , unsere Seen haben immer genügend Wasser und unsere Berge sind auch weiterhin so schön wie die
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