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Dämonisches Tattoo

Dämonisches Tattoo

Titel: Dämonisches Tattoo
Autoren: B Melzer
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Presse den Schlitzer nannte, ohne dass sie ihm auch nur ein Stück näher gekommen wären. Es gab keine Fingerabdrücke, keine Beschreibungen von Zeugen, die mehr als einen dunklen, nicht näher identifizierbaren Schatten gesehen hatten – und die wenigen DNA-Spuren, die sie gefunden hatten, halfen ihnen nicht weiter, da sie keinen Treffer in einer der Datenbanken ergaben. So wie es aussah, war die Person, nach der sie suchten, anderweitig noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
    Der einzig greifbare Beweis, den der Täter je zurückgelassen hatte, war der Abdruck eines Männerturnschuhs Größe 10. In Anbetracht der Beliebtheit und Verbreitung dieses Schuhs grenzte das den Kreis der Verdächtigen auf gut zwei bis drei Millionen ein.
    Anita Munarez’ dunkle Augen sprühten Feuer. Die junge Polizistin war das genaue Gegenteil von ihrem Partner. Groß, kurvig und selbst im Winter so braun gebrannt, als würde sie ihrem mexikanischen Teint im Sonnenstudio auf die Sprünge helfen. Abgesehen davon hatte sie eine Vorliebe für Gossensprache, die sie auch jetzt sofort wieder unter Beweis stellte. »Wenn ich dieses Arschloch in die Finger bekomme, reiße ich ihm die
Cojones
ab, bevor ich ihm Handschellen anlege!«
    Anderson nickte. »Ob mit oder ohne Eier, der gehört endlich aus dem Verkehr gezogen.«
    Munarez brummte etwas Unverständliches, das sowohl Zustimmung, wie auch ein mexikanischer Fluch sein konnte, dann entdeckte sie Chase. »Wird auch Zeit.« Sie deutete in Richtung des Schlafzimmers. »Da drin.«
    Chase ging an ihr vorbei und trat auf die Schwelle zum Schlafzimmer. Ein beißender Geruch schlug ihm entgegen, eine Mischung aus Blut, Schweiß und Urin. Sein Blick schoss in den Raum. Jemand hatte das Fenster geschlossen, damit der Wind nicht hereinfahren und Spuren verändern oder verwischen konnte – Spuren, von denen Chase wusste, dass der Killer sie ohnehin nicht hinterlassen hatte.
    Vom Fenster wanderte sein Blick weiter über den weißen Wandschrank mit den Lamellentüren hinüber zur Kommode und schließlich zum Bett. Die hellen Laken waren zerwühlt, eines der Kissen herausgefallen, doch nichts im Raum deutete darauf hin, dass es einen Kampf gegeben hätte. Das war sein Modus Operandi. Er wartete, bis seine Opfer schliefen, und betäubte sie dann, damit sie keinen Widerstand leisten konnten. Auch wenn es dafür keine Belege in den Berichten des Gerichtsmediziners gab, war Chase davon überzeugt, dass er – nachdem der erste Teil seines scheußlichen Tuns erledigt war – wartete, bis die Frauen zu sich kamen. Sie sollten ihn beobachten, wenn er sein Werk vollendete, so wie er sich auch selbst dabei beobachtete. An jedem der Tatorte waren große Spiegel in der Nähe der Leichen gefunden worden, manche aus anderen Räumen herübergetragen, andere lediglich zurechtgerückt.
Dieses narzisstische Schwein!
Er fühlte sich vollkommen sicher und schien nicht zu fürchten, von einem heimkehrenden Ehemann überrascht zu werden. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er seine Opfer zuvor ausgespäht und deren Gewohnheiten eingehend studiert hatte.
    Chase’ Blick glitt über den Standspiegel und richtete sich dann auf das Zentrum des Raums, jenen Ort, den er am wenigsten von allem sehen wollte. Ein Rücken versperrte ihm den Blick auf den Leichnam, sodass er kaum mehr als die Beine des Stuhls sehen konnte, die sich in den dicken, mit Blut vollgesogenen Teppich gruben. Es war Ben Summers, der Tatortfotograf, der ihm die Sicht verstellte, doch kaum hatte er zwei weitere Bilder geschossen, trat er zur Seite, um seine Arbeit aus einem anderen Blickwinkel fortzusetzen. Obwohl Chase gewusst hatte, was ihn erwartete, und er geglaubt hatte, dagegen gewappnet zu sein, traf ihn der Anblick mit voller Härte.
    Wie oft war er in diesem Haus zu Gast gewesen? Unzählige Abendessen und Grillpartys, zu denen Frank und Diana ihn eingeladen hatten. Diana, die strahlende rothaarige Schönheit mit einer Haut, die so makellos und hell wie Porzellan war. Diana mit dem herzlichen Wesen, deren Lachen selbst die kältesten Räume mit Wärme erfüllte. Jetzt war dieses Lachen verstummt. Ihr Mund blutig und ausgefranst vom Kampf gegen die dicken blauen Fäden, mit denen ihre Lippen zusammengenäht worden waren. Selbst im Tod hatte sie ihre aufrechte Haltung nicht verloren, auch wenn diese von den Fesseln herrührte, die sie auf dem Stuhl in Position hielten. Ihre Züge waren geprägt von Entsetzen und den Qualen, die sie in den letzten
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