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Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)

Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)

Titel: Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Autoren: Sabine Reiff
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suchte nach dem Druckknopf, mit dem sich der Alarm ausschalten ließ. Beim dritten Versuch hatte sie ihn endlich gefunden. Sie genoss die Stille, die plötzlich wieder in ihr Schlafzimmer einkehrte. Einen Moment überlegte sie ernsthaft, in der Redaktion anzurufen und sich einfach für den heutigen Tag krank zu melden. In diesem langweiligen Kaff passierte sowieso nichts, was einen Bericht in der Zeitung wert gewesen wäre. Im Grunde genommen wiederholten sich die Themen in regelmäßigen Rhythmen. Ein Scheunenbrand im Sommer oder das alljährliche Frühjahrshochwasser des kleinen Bachs, der den Ort durchfloss, bildeten da schon echte Ausnahmen.
    An diesem Morgen fühlte sie sich elend, einsam und verlassen und genau deshalb würde sie heute im Bett bleiben. Trotzig zog sie die Daunendecke bis unter das Kinn und schloss die Lider. Sie würde diesen Tag komplett ignorieren und in wenigen Augenblicken wieder einschlafen…
     
    Doro fuhr aus dem Bett hoch. Heute war der 14. Oktober und sie musste dieses verdammte Interview führen. Der Typ hieß Maar oder so ähnlich und war ein „berühmter“ Historiker. Ihr Chef hatte ihr vor ein paar Tagen diesen Termin aufgehalst. Ihr blieb keine Wahl, sie musste heute in die Redaktion. Sie raffte sich auf und schleppte sich ans Fenster, um einen Blick an den schweren, dunklen Vorhängen vorbei, ins Freie zu wagen. Über dem Tal lag noch dichter Nebel, aber spätestens gegen Mittag würde die Sonne rauskommen.
    Sie ging ins Bad, drehte den Wasserhahn auf und hielt die zierlichen Handgelenke eine Weile unter das kühle Nass, bis sich ihre feingliederigen Hände zusammenlegten, um den Strahl aufzufangen. Sie bespritzte ihr Gesicht mit Wasser und betrachtete die junge Frau im Spiegel. Aus den dichten, schwarzen Wimpern lösten sich die letzten Mascarareste des gestrigen Make-ups. In einem wässerig dunklen Rinnsal liefen die Tropfen über blasse Wangen, folgten einem energisch geschwungenen Kinnbogen und rollten den Hals hinab, um schließlich in ihrem grauenSchlafshirt zu versickern. Aus dem schmal geschnittenen, hellhäutigen Gesicht funkelten ihr herausfordernd große, blaugrüne Augen entgegen.
    „Dorothea Bergmann, reiß dich zusammen“, flüsterten ihre vollen Lippen.
    Gestern hatten sie den neunundzwanzigsten Geburtstag ihrer besten Freundin Lille gefeiert und ihr übler Kater heute Früh zeugte davon, dass mit fortschreitender Stunde offenbar jedes Maß für Vernunft verloren gegangen war.
    Ihr Blick fiel auf die Narbe über ihrer linken Augenbraue. Im Lauf der Jahre war sie dünner und weniger auffällig geworden, aber für ihr Empfinden stach sie immer noch wie ein dilettantisch aufgeklebter, hellroter Faden aus ihrem Gesicht hervor, den es zu verdecken galt. Ihre Finger arbeiteten akribisch und schnell, so als wussten sie genau, wie sie die Strähnen ihres über die Augen reichenden Ponys in Form ziehen mussten, damit der Makel nicht mehr deutlich sichtbar, sondern bestenfalls noch zu erahnen war.
    Sie nahm ihre Armbanduhr von der weißen Keramikablage unterhalb des Spiegels. Während des Anlegens sah sie flüchtig auf das Zifferblatt. Sie musste los. In einer hektischen Drehung wirbelte sie in Richtung der Tür herum. Sofort ereilte sie ein reißender Schmerz. Aus dem Augenwinkel heraus erhaschte sie ihr Abbild im Spiegel. Ihr ansonsten jugendliches Gesicht hatte sich in eine greisenhafte Fratze verwandelt. Ihre Hand glitt suchend am Waschbecken entlang, bis sie Halt fand. Der massive Schmerz ließ nach und ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder. Die tiefen Furchen, die sich bei den Schmerzattacken jedes Mal spontan auf ihrer Stirn, ihrer Nasenwurzel und um ihren Mund herum zeigten, würden in den nächsten Augenblicken weitgehend verschwinden. Sie humpelte ins Schlafzimmer. In bedächtigen Bewegungen, die absolut nicht zu ihrem Alter passten, zog sie sich an.
    Noch einmal kehrte sie ins Bad zurück. Dort drückte sie zwei Schmerztabletten aus der Blisterpackung, steckte sie in den Mund und warf den Kopf in den Nacken, damit die Pillen auch ohne Wasser ihren Hals hinunter glitten. Sie wiederholte den Vorgang. Im Vorbeigehen nahm sie den schwarzen Lederrucksack und ihren Schlüsselbund vom Flurtischchen und zog die Wohnungstür hinter sich ins Schloss. Sie überlegte kurz, ob sie das Auto nehmen oder zu Fuß in die Redaktion gehen sollte. Die ersten Sonnenstrahlen arbeiteten sich durch den Herbstnebel und streiften ihr Gesicht. Der Anflug von Wärme auf ihrer Haut
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