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Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Titel: Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
Autoren: Jim C. Hines
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Spiegel Beatrice halten, aber es war keine Ideallösung. Es war eine Sache, eine Seele einzufangen und festzuhalten; die wahre Herausforderung hatte darin bestanden, zu lernen, wie man einen Körper erschuf. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die herumliegenden Bücher: alte Schwarten, in denen alles beschrieben wurde, vom Hervorbringen eines Elfenwechselbalgs bis hin zu einem Zauber, der einen Körper aus Blumen entstehen lassen konnte. Schnee hatte die unterschiedlichen Zauber kombiniert und so ihren eigenen erschaffen.
    Die Flamme wurde ruhig.
    »Bea?« Schnee stand so abrupt auf, dass der Stuhl umkippte. »Dreh dich nicht weg!«
    Bea würde desorientiert sein, wie die meisten frisch aus ihren Körpern befreiten Seelen, aber die Berührung von Schnees Magie hätte ihr vertraut sein sollen. Sie hielt die Kerze näher an den Spiegel und verdickte damit den Rauchfaden, der in Beatrices Zimmer hinüberwehte. »Ich weiß, dass du mich hören kannst.«
    König Theodore richtete sich auf und schnupperte, doch Schnee ignorierte ihn. Ihr Herz schlug so heftig gegen die Rippen, als wollte es entkommen. Das dauerte alles zu lang! Bei jedem Test hatte sich die Seele in ihren Spiegel bewegt, während der Körper seinen letzten Atemzug tat. Entweder war Beatrice nicht imstande, den Weg zu finden … oder aber sie entschied sich dafür, ihm nicht zu folgen. »Denk an deinen Enkelsohn! Dies ist deine Chance zu bleiben, ein Teil seines Lebens zu sein und ihn aufwachsen zu sehen!«
    Nichts. Schnee fuhr mit den Fingern über die Kerzenflamme, die daraufhin noch einmal so groß wurde. Jeder Geist im Umkreis von Meilen musste nun in der Lage sein, sie zu sehen. »Beatrice, bitte! Wir brauchen dich. Geh nicht …«
    Die Flamme flackerte und erlosch.
    »Nein!« Ein Gedanke genügte, um die Flamme neu zu entfachen, aber es war zu spät – der Pfad war unterbrochen worden.
    Beatrice Whiteshore – die Frau, die Schnee das Leben gerettet hatte, die ihr ein Zuhause und eine Familie und eine Aufgabe gegeben hatte – war tot.
    Schnee taumelte zurück. Sie stieß mit der Hüfte gegen den Tisch. Ihr Blick trübte sich, und sie schloss die Augen gegen den stechenden Schmerz im Hinterkopf, den Preis, den sie dafür zahlte, dass sie sich überanstrengt hatte. Es war nichts im Vergleich zu dem Schmerz über ihr Versagen.
    Es hätte funktionieren müssen. Es hatte ja auch bei jedem Test, den sie durchgeführt hatte, funktioniert. So viele Geister durchstreiften nach dem Tod diese Welt und weigerten sich, dem Ruf dessen zu folgen, was danach kam. Schnee war ihnen immer wieder begegnet: Krüge, die so verzaubert worden waren, dass sie die Seelen der Toten festhielten, Gespenster, die von einem Körper zum nächsten zogen … einmal hatte sie eine ganze Armee von Toten sich erheben sehen, um ihrer Herrin zu dienen.
    Danielles Mutter war bei ihrer Tochter geblieben und hatte in dem Haselnussbaum fortgelebt, den Danielle im Garten gepflanzt hatte. Sie hatte Danielle mit einem silbernen Abendkleid und Glaspantoffeln beschenkt und ihr damit ermöglicht, den Ball zu besuchen, auf dem sie Armand begegnet war. Bis zum heutigen Tag fuhr sie damit fort, dem Tod zu trotzen, und lebte in der verzauberten Glasklinge von Danielles Schwert weiter, alles aus Liebe zu ihrer Tochter.
    Und was war mit Schnees eigener Mutter, Königin Rose Curtana? Roses Gespenst war noch jahrelang dageblieben und hatte nach einem Weg gesucht, ihre Macht wiederzuerlangen. Sie hatte sich mit Danielles Stiefschwestern verschworen in der Hoffnung, den Körper von Danielles Kind in Besitz zu nehmen.
    Aber Beatrice hatte sich abgewandt.
    »Wieso bist du nicht geblieben?« Bea war Schnee in den wenigen Jahren mehr Mutter gewesen, als Rose Curtana es jemals war. Wäre Bea eines natürlichen Todes gestorben, hinweggerafft von den Gebrechen des Alters – das wäre etwas anderes gewesen. Aber sie hätte noch viele Jahre leben können – leben sollen. Sie hätte auch gelebt, wenn Schnee geschickt genug gewesen wäre, sie zu retten. Wenn sie stark genug gewesen wäre.
    Schnee blickte in den Spiegel. Das Glas zeigte nur ihr eigenes Gesicht. Schwarze Haare, durch die sich wie Staubfäden weiße Strähnen zogen. Rot geäderte Augen, geschwollen und mit dunklen Rändern. Um die Augen kleine Runzeln und Lachfalten an den Mundwinkeln. Mit jedem Jahr ähnelte sie ihrer Mutter mehr.
    Sie nahm die Kerze wieder in die Hand. Durchsichtiges Wachs verbrannte ihr die Finger, als es sich auf den Boden
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